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TV-Kritik/Review: "Das Rad der Zeit": Strenge Zauberin im Gegenwind
(18.11.2021)
Pay-TV-Sender und Streamingdienste seien derzeit auf der Suche nach dem nächsten
Schon vor 21 Jahren wurden die Verfilmungsrechte verkauft, mehrere Leute versuchten sich erfolglos daran, doch außer einem gescheiterten TV-Piloten vor sechs Jahren sprang nichts dabei heraus. Kein großes Wunder, ist es doch in jedem Fall eine Herkulesaufgabe, die knapp 12.000 Taschenbuchseiten der insgesamt 15 Originalbände (1990 bis 2013) irgendwie in eine audiovisuell konsumierbare Form zu bringen. Rafe Judkins, früher Kandidat bei
Robert Jordans Reihe, deren letzte drei Bände nach seinem Tod 2007 von Brandon Sanderson fertiggeschrieben wurden, kreist um eine Art magisches Matriarchat. In der Erzählwelt, die dem "Rad der Zeit"-Prinzip entsprechend zugleich in fernster Vergangenheit wie in der Zukunft angesiedelt sein könnte, ist es den Zauberinnen der Aes Sedai vorbehalten, die "Eine Macht" zu "lenken", zumindest deren feminine Seite, da alle Männer, die das versuchten, den Verstand verloren. Die zentrale Aes Sedai in "Das Rad der Zeit" heißt Moiraine und wird, mit ungewohnter Strenge und unerwartet brünett, von Rosamund Pike (
Mit "Game of Thrones" allerdings, sowohl mit George R. R. Martins Büchern als auch der Serie, hat "Das Rad der Zeit" inhaltlich und auch stilistisch herzlich wenig zu tun, weshalb man mit den Vergleichen, jenseits des kommerziellen Kalküls, auch gar nicht erst anfangen sollte - die problematische Pilotepisode tut ohnehin alles dafür, den Vergleich obsolet zu machen. Denn wo "Game of Thrones" dereinst Legionen Fantasy-ferner Zuschauer schon mit der ersten Folge hookte, rumpelt der von Uta Briesewitz (sie drehte jüngst erst den Piloten von
Zu Beginn erreichen Moiraine und Lan die Region "Zwei Flüsse" im westlichen Andor, wo sie genau im richtigen Moment ankommen, da das Dorf Emondsfeld von einer Horde Trollocs angegriffen wird - pelzigen Unholden, die in der Serie leider so aussehen wie ein Mix aus gehörntem Chewbacca und debilem Wildschwein. Das grollende Sounddesign gibt sich zwar Mühe, doch bedrohlich wirkt die Armee fäusteschwingender Stuntmen im Fellfummel nicht. Ein gewichtiges Problem von "Das Rad der Zeit" fällt bereits an dieser Stelle auf: Die Macher konnten sich offensichtlich nicht entscheiden, ob sie sich eher an Jordans vor allem an jüngere Leser gerichteten Büchern orientieren oder die Sache etwas, sagen wir mal, erwachsener angehen wollten. Als Konsequenz scheint man sich für einen diffusen Mittelweg entschieden zu haben: Die Protagonisten sind älter als in den Büchern, es gibt zudem einige Ausbrüche von Gewalt, dennoch bleibt alles sehr clean. Das Gruseligste in den ersten Episoden ist der Myrddraal, der untote Kommandeur der tumben Trollocs, der aus seinem
Die drei männlichen Protagonisten, auf die es die Trollocs abgesehen haben und die deshalb in den Auswahlzirkel jener geraten, unter denen Moiraine den gesuchten "Drachen" vermutet, sind Schafhirte Rand al'Thor (Josha Stradowski), Schmied Perrin Aybara (Marcus Rutherford) sowie der Dieb und Hallodri Mat Cauthon - den in dieser Staffel Barney Harris (
Ausstattung (viel Kerzenschein) und Kostüme wirken in der Pilotfolge enttäuschend lieblos, und besonders erstaunt deren missglücktes Finale - die Attacke der Trollocs. Rosamund Pike, die die Serie auch mitproduzierte, steht am Ende armrudernd vor kollabierenden Freiluftmuseumskulissen, während CGI-animierte, metallicblaue Energiebänder um sie herumwabern und ihr eine Windmaschine die Haare zerzaust, als sei sie
Die Prognose daher: Wer kein eingefleischter Allesgucker in Sachen High Fantasy ist oder aber Fan der Romane, könnte einer zweiten Episode womöglich schon nach dieser ersten Folge keine Chance mehr geben. Was - möglicherweise! - ein Fehler ist. Denn schon die zweite Episode der ersten Staffel (die den kompletten ersten Originalband abdecken soll) kommt, nach überraschend heftigem Beginn, deutlich fokussierter und auch spannender daher - obwohl auch sie in einem merkwürdig grenzdeprimierten Mollton gehalten ist. Sie markiert den Auftakt der Abenteuerreise, den Auszug der Helden (wie Frodo aus dem Auenland) hinaus in die weite Welt, einen Trip, auf den Moiraine und Lan sowohl Rand, Perrin und Mat als auch Egwene mitnehmen. Ziel ist Tar Valon, die Machtzentrale der Aes Sedai. Dem Prinzip von Roadmovie und epischer Queste folgend, warten während dieses Ritts durch idyllische Auen und Wälder (gedreht wurde in Slowenien und Tschechien), über weite Wiesen und an CGI-animierten Ruinen und schroffen Felsnadeln entlang, immer neue Gefahren auf die Helden: Die unheimlichen "Weißmäntel" um Geofram Bornhald (Stuart Graham,
Potenzial ist also vorhanden, wie überhaupt die Chance besteht, dass der Plot, je mehr Bausteine der in den Romanen ausgebreiteten Mythologie sukzessive eingebaut werden, noch deutlich an Zug zulegt und auch die Charaktere an Profil gewinnen. An ihnen krankt es nämlich bislang am meisten - fast hat man Mühe, die Protagonisten charakterlich voneinander zu unterscheiden. Die durchweg sehr attraktiven, makellos frisierten und gründlich epilierten Jungdarsteller tun erst gar nicht so, als würden sie sich irgendwo anders aufhalten als in einem Londoner Szenecafé. Strahowski zum Beispiel trägt (weil Rand ein Schafhirte ist) mehrfach einen stylishen Wollpulli, um den ihn der Neuköllner Hipster-Jet-Set glühend beneiden würde, und wenn er mal wieder grübelnd auf irgendeinem pittoresk vernebelten Felsen sitzt wie ein Wanderer im Dödelmeer, dann hat das was von Instagram-Portfolio.
Diese Oberflächlichkeit in der Figurenzeichnung ist, zumindest eingangs, ein durchaus gravierendes Problem für Nichteingeweihte: Fans der Buchvorlagen wissen ja um die Charakteristika der Figuren, der Rest der Zuschauer dagegen nicht. Für sie fühlt sich diese Young-Adult-Reisetruppe sehr generisch an - und vor allem sehr gewöhnlich. Wer mehr als eingefleischte Fans ins Boot holen will, darf so etwas eigentlich nicht zulassen.
Angeblich wollen die Macher aber im weiteren Verlauf der Serie (analog zu den Büchern) auch den individuellen Perspektiven der Figuren Rechnung tragen. Das bleibt abzuwarten. Bis jetzt ist es vor allem Rosamund Pike, die den Laden mit schauspielerischer Intensität am Laufen hält - unter anderem mit einem melancholischen Monolog zu Pferde oder in einer Badeszene, in der sie und Lan gemeinsam in denselben Waschzuber steigen, oder mit markiger Entschlossenheit im Voiceover. Obgleich bei Jordan mit der Stellung der Aes Sedai bereits angelegt, wurden die weiblichen Figuren für die Serienumsetzung ohnehin noch einmal aufgewertet - was schon daran abzulesen ist, dass die divers besetzten Darstellerinnen von Moiraine, Nynaeve und Egwene im Vorspann zuerst genannt werden. Ob das allerdings reicht, um "Das Rad der Zeit" zum dauerhaften Erfolg zu machen? Man sollte als Zuschauer jedenfalls viel Toleranz haben für feierlich-pathetische Dialoge und diese typische Art grimmiger, schicksalsschwerer Ernsthaftigkeit, die der High Fantasy offenbar nicht auszutreiben ist.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei Folgen von "Das Rad der Zeit".
Die ersten drei Episoden von "Das Rad der Zeit" erscheinen weltweit auf einen Schlag am 19. November bei Prime Video. Danach geht es wöchentlich mit neuen Folgen jeden Freitag bis zum Staffelfinale am 24. Dezember weiter.
Über den Autor
Leserkommentare
Mcmercy schrieb am 04.12.2021, 13.03 Uhr:
Insgesamt ist die Serie unterhaltsam. Klar muss man ein paar Abstriche bei den Kulissen machen. Warum z.b. haben die Wagen der Streuner Schornsteine aus Blech? Warum verfügt ein kleines unbedeutendes Dorf sämtlich über Steinhäuser? Warum findet man in jedem Kaff wild zusammengewürfelte Gemeinschaften aller Etnien, das ergibt keinen Sinn. Glaubhafte Diversity in mittelalterlicher Fantasy geht anders. Hier würde man je nach Gegend homogene Gemeinschaften erwarten, allenfalls in den großen Städten wären die gemischt. Die Inqisitoren sind mir auch zu clean, wenn die Wochen unterwegs waren, um Zauberinnen zu jagen warum sehen die immer noch aus wie geleckt, haben die alle 'ne Miele dabei? Davon, dass ausnahmlos alle weiblichen Schauspieler vollständig und offensichtlich geschminckt sind mal ganz abgesehen.Moraine schrieb am 22.11.2021, 09.11 Uhr:
Ich finde die Serie so weit sehr gut.
Nur eines stößt mir Sauer auf... wieso sind Rand, Mat und Perrin alles Weiße, da hätte man doch mindestens noch einen dunklen Typ oder Chinesen einbauen können.
*zwinkersmiley"PS Herr der Ringe ist im Vergleich zu Rad der Zeit BÜCHER ein Groschenroman.Mcmercy schrieb am 04.12.2021, 13.07 Uhr:
Die Diversity in der Serie ergibt in der Form eh keinen Sinn. Bei den Inquisitoren und den Aes Sedai macht das ja noch Sinn, da kann man evtl. davon ausgehen, dass die in aller Welt ihre Leute rekrutieren. Warum aber ein kleines Dorf so ungefähr alle Etnien enthalten soll erklärt sich mir nicht. Migration dürfe aufgrund der fehlenden Verkehrsmittel in einer mittelalterlichen Welt ehr selten sein.xena123 schrieb am 22.11.2021, 07.45 Uhr:
Der Herr der Ringe, Conan der Barbar, Game of Thrones, Excalibur, Harry Potter, Fluch der Karibik...
Diese Filme versuchten einen mit in einen Traum zu nehmen.Man sollte versinken und mitten in einer tollen Geschichte aufwachen. Sich mit Figuren und Gefühlen identifizieren.
Heute soll ein Großteil der erzeugten Emotionen Schuldgefühle sein.
Die eigentliche Geschichte verblasst. Diversity, Gender, Identitätspolitik usw. nehmen die Hauptbotschaft ein und verhindern eine Identifikation und ein Eintauchen in die Geschichte.
Ich sehe keine Eskimos, wenn ich an eine Westernranch denke, keine Aborigines in einer Wikingerbucht, keine Dragqueens bei den Hells Angels und keine Senegalesen an Arthurs Tafelrunde.
Und wer denkt, er könnte mich erwachsenenpädagogisch umerziehen, etwas anderes zu sehen, egel wie abstrus dies auch sei - hat zumindest mich verloren. Wahrscheinlich aber den kompletten Marktanteil.
Schlimm ist, wenn dadurch Geldgeber für künftige Projekte verprellt werden und zwar die Diversity steigt, die Qualität aber sinken wird, weil nur noch Woke Menschen sich angesprochen fühlen und zahlen.
Mit schwant nichts Gutes, denke ich an die Herr der Ringe Serie... von Amazon....Mcmercy schrieb am 04.12.2021, 13.12 Uhr:
Sehe ich ähnlich, wenn ich mir einen Samurai Film ansehe erwarte ich da auch Asiaten vielleicht mal den ein oder anderen weißen Gesandten aber nicht mehr. Die Serie in der Form ist absolut nicht immersive. Ich hätte auch kein Problem damit wenn die in der Welt alle schwarz wären, aber was soll der unglaubwürdige Mischmasch?User 65112 schrieb am 25.11.2021, 14.26 Uhr:
danke, Xena123!Rainer_Stache schrieb am 21.11.2021, 13.51 Uhr:
Brillante Analyse und genial geschrieben. Das hebt den Frust, die erste Folge DRdZ gesehen zu haben, fast vollumfänglich auf. Gefehlt hat mir nur der szenische Bruch, eine mittelalterliche Gesellschaft mit bewusst allen heute verfügbaren Volksstämmen zu bevölkern (vermutlich so wie das überdrehte Frauending ein Tribut an die Political Correctness). Das hat schon bei Star Trek genervt, hier schmeißt es einen endgültig aus der Illusion.User 65112 schrieb am 21.11.2021, 12.05 Uhr:
Sagen wir mal so, mit "Legend of the Seeker" oder "Shannara" kann das durchausmithalten. Das ist so die Liga, in der es spielt, und da schlägt es sich gut. Mir hat es gefallen. Was mir allerding zuviel war, war dieses unterschwellige Raunen von wegen "Frauen sind die besseren Menschen", wie es zurzeit leider sehr oft gezeigt wird (und das sage ich, obwohl ich eine Frau bin!!). Die bösen Bannstrahler-Ritter sind natürlich alles Männer, und alle Figuren, die sich ausgesprochen dumm oder problematisch verhalten, sind ebenfalls Männer. Das gefällt mir nicht! Im Zuge einer echten Geschlechtergerechtigkeit möchte ich bitte gebausoviele (tolle) männliche Helden wie weibliche ...Mcmercy schrieb am 04.12.2021, 13.17 Uhr:
Stimmt teils teils. Die Gastwirtin im Minenlager ist auch problematisch und die rote Aes Sedai auch, es ist also nicht ganz so extrem. Aber ja, wenn da in der Welt Frauen überall gleichberechtigt sind, warum haben die Lichtritter keine Frauen in ihren Reihen? Passt nicht! Genauso könnten die Aes Sedai auch weibliche Wächter haben.Omalley schrieb am 29.11.2021, 15.56 Uhr:
Naja, Frauen sind die besseren Menschen! Und das sage ich obwohl ich ein Mann bin.Mr_Chance schrieb am 20.11.2021, 09.19 Uhr:
Die erste Folge war für mich leider keine Einladung weiter zu schauen, und es läßt mich für die Mittelerde-Ankündigungen fürchten; aber vermutlich hat Jackson mit seinen Dreiteilern die Pflöcke sehr sehr tief eingeschlagen...Bernd Krannich schrieb am 19.11.2021, 15.43 Uhr:
@serieone: Hallo, das mit den sechs Folgen war, soweit ich aus meiner eigenen Arbeit nachvollziehen konnte, eine "Vorabinfo", die sich nachträglich geändert hat oder von Anfang an unwahr war - beides kommt leider vor (und niemand ärgert sich mehr darüber als ich, wenn ich das für eine Newsmeldung hier trotz Recherche etwas unzutreffend geschrieben habe - der Moment, wo ich erstmalig von den acht Folgen in der Auftaktstaffel gelesen habe, ist mir recht unangenehm im Gedächtnis geblieben).Fakt ist, das das Amazon in den jüngsten Pressemeldungen die Eckdaten wie oben kommuniziert (inklusive des Datums für das Staffelfinale, 24. Dezember).streamingfan schrieb am 19.11.2021, 16.35 Uhr:
Dankeschön für die neue Info. Nun weiß ich Bescheid.streamingfan schrieb am 19.11.2021, 11.55 Uhr:
Staffelfinale ist am 10. Dezember 2021 soviel ich weiß. Staffel 1 hat 6 Folgen.Vritra schrieb am 19.11.2021, 17.35 Uhr:
Es sind 8!Steht oben im Text und ebenfalls in der IMDb sowie der TMDB.Batman schrieb am 18.11.2021, 23.07 Uhr:
vielleicht sollte man alle Episoden geschaut haben, um eine Bewertung sprich einen Review
zu einer Serie zu schreiben. Und wenn nicht alle zufrieden sein werden, nennt man dies wohl künstlerische Freiheit der produzenten.Omalley schrieb am 29.11.2021, 15.59 Uhr:
Quatsch zu schreiben ist aber auch Quatsch!Vritra schrieb am 19.11.2021, 17.31 Uhr:
Quatsch!
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