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TV-Kritik/Review: "Ein Hauch von Amerika": Sehenswertes Melodram über die Nachkriegszeit
(01.12.2021/ursprünglich erschienen am 24.11.2021)
Ein weiteres Jahr geht zu Ende, eine weitere historische Eventserie geht auf Sendung. Das deutsche Fernsehen ist sicherlich nicht arm an diesem Genre. Dennoch sticht bereits die Ankündigung der neuen ARD-Eventserie
Hier treffen Opportunisten, Überlebenskünstler und ärmliche Bauern auf die amerikanischen Befreier, die sechs Jahre nach Kriegsende längst ihre Spuren im Alltag und in den Wünschen und Sehnsüchten der Bevölkerung hinterlassen haben. Die afroamerikanischen Armeeangehörigen sind in diesem Mikrokosmos nicht nur Anfeindungen der deutschen Bevölkerung, sondern auch denen ihrer eigenen Vorgesetzten ausgesetzt.
Ein Schicksal, stellvertretend für viele, steht hier im Zentrum: die Liebe der deutschen Bauerntochter Marie Kastner zu einem afroamerikanischen Soldaten, der ausgerechnet den amerikanischsten aller Namen trägt, nämlich George Washington (Reomy D Mpeho). Doch eigentlich ist Marie dem deutschen Soldaten Siegfried Strumm (Jonas Nay,
Eines dieser Felder gehört der Familie von Marie, deren Vater auf "die Amis" nicht besonders gut zu sprechen ist. Als der Hund der Kastners durch eine vergrabene Fliegerbombe getötet wird und Soldat Washington mit seinem Panzer aus Versehen die Kartoffelernte der Kastners dezimiert, wird bei Marie der Zorn und der Durchsetzungswille geweckt. Mit Ach und Krach büffelt sie sich die englischen Vokabeln in ihren Alltagswortschatz und stellt Colonel McCoy zur Rede. Zu ihrer Überraschung verhilft der ihr zu einer Anstellung als Haushälterin bei seiner Frau Amy (Julia Koschitz), die Marie nur allzu gerne, aber sicher nicht altruistisch, die Vorzüge amerikanischer Lebensstandards näherbringt. Als Maries Familie dann auch noch das Zimmer ihres Bruders Vinzenz (Paul Sundheim,
Letztendlich bestimmt die Dreiecks-Konstellation Marie, George und Siegfried das Geschehen in "Ein Hauch von Amerika". Die Eventserie folgt dabei weniger den Spielregeln bereits bekannter Event-Mehrteiler, sondern eher denen eines Melodrams der 1950er Jahre. Die leichte Künstlichkeit des Gezeigten und die farbenfrohe Umsetzung in der ach so grauen Provinz erinnern dabei in Ansätzen an das Werk der deutschstämmigen Regie-Legende Douglas Sirk, dessen elegante B-Filme wie
Ähnlich funktioniert "Ein Hauch von Amerika" ebenfalls, wenn auch natürlich deutlich moderner und unter EInsatz weniger Chiffren. Der Serie gelingt das Kunststück, ein beachtliches Ensemble vor einer Kulisse zu versammeln, die ohne die üblichen computeranimierten Zerstörungs-Landschaften anderer öffentlich-rechtlichen Produktionen mit der Thematik "Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit" auskommt. Das Dorf Kaltenstein überzeugt als hyperrealer Mikrokosmus, in dem man sich als Zuschauer gerne aufhält.
Dennoch entfaltet sich die Handlung mit weniger Biss und Präzision als im direkten Vergleich mit dem inhaltlich überragenden Genre-Standard, zu dem die ZDF-Miniserie
Allerdings lässt sich festhalten, dass "Ein Hauch von Amerika" weitaus mehr mäandert als das ZDF-Pendant. So münden die Entwicklungen der Handlung oft genug in Vorhersehbarem. Die Macher haben sich keinen Gefallen damit getan, das Schicksal ihrer Hauptfigur Marie bereits gleich zu Beginn mit einem Zeitsprung anzuteasern. Das "Ob" der Gezeigten wird dadurch zu einem deutlich weniger spannenden "Wie" herabgestuft.
Aufgefangen werden diese Schwächen zu einem großen Teil allerdings durch das fast durchgängig großartige Ensemble. Elisa Schlott überzeugt als energische Marie, die hin- und hergerissen ist zwischen dem Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben und den Verpflichtungen, die sie gegenüber ihrer Familie und ihrer besten Freundin Erika Strumm (Franziska Brandmeier) eingegangen ist. Im Gegensatz zu Erika lässt sich Marie aber weniger von den schneidigen Army Boys oder Luxusgütern aus Übersee beeindrucken, sondern vielmehr durch einem geradezu mystischen Hauch von Freiheit und Selbstbestimmung, der mit den Amerikanern durch Kaltenstein weht. Der Moment, in dem Marie im Kino sitzt und Judy Garlands Auftritt in
Erika lehnt sich währenddessen bereits gegen die Spießigkeit der gutsituierten Bürgermeisterfamilie Strumm auf. Sie hat die offensichtlichen Vorteile des American Way of Life längst verinnerlicht, träumt von einer Zukunft in San Francisco oder Los Angeles und verfolgt dieses Ziel mit beachtlicher Konsequenz. Sie putzt sich heraus, flirtet allzu gerne mit US-Soldaten, unter denen sich ja ein zukünftiger Gatte befinden könnte, und verbringt lange Nächte in der einstigen Dorfwirtschaft, die der Betreiber Schwiete (Ex-
Doch eine freizügige Tanzperformance, von Brandmeier voller Inbrunst dargeboten, bringt das Fass schließlich zum Überlaufen. Erikas Mutter Anneliese (Anna Schudt) ist überzeugt, dass sie mit drastischen, überaus katholischen Mitteln ihre Tochter wieder auf den rechten Pfad der Tugend zurückführen muss. Der aus heutiger Sicht geradezu surreal anmutende Cliffhanger am Ende der zweiten Episode, der aus Annelieses Handeln resultiert, ist ein frühes Highlight der Serie.
Gibt man "Ein Hauch von Amerika" Zeit, sich zu entfalten, wird man Handlungsort und Figuren liebgewinnen und die eine oder andere Länge oder Ungelenkheit verzeihen. Dazu gehören auch mehrere Szenen, in denen das American English der Armeeangehörigen doch mehr gewollt als gekonnt wirkt, auch wenn der Einsatz von Untertiteln zur Unterstützung der Authentizität definitiv beiträgt. Gerade das ZDF-Pendant "Shadowplay" aus dem vergangenen Jahr hatte ja unter der komplett deutschen Synchronisation gelitten. Die Event-Serie der ARD nutzt dagegen die Sprachschwierigkeiten von Marie zu teilweise urkomischen Szenen, in denen ihre Wut selbst durch ausbaufähiges Vokabelwissen nicht zu stoppen ist.
Die Konflikte im Ort zwischen Bewohnern untereinander und auch zwischen Army und Kaltensteinern funktionieren als Antrieb der Serie. Nach den ersten drei Episoden fällt das Urteil zum im Zentrum stehenden Liebesdreieck Marie, George und Siegfried dagegen eher zwiespältig aus. Elisa Schlott, Reomy D Mpeho und Jonas Nay überzeugen individuell mit ihren Figuren, doch die Chemie untereinander ragt zunächst noch nicht besonders heraus. Andererseits muss gerade die durchsetzungsstarke Marie erst einmal zur Ruhe kommen, um überhaupt die Möglichkeit von Gefühlen für George in Betracht ziehen zu können. Was nicht ist, kann in den restlichen Episoden also noch werden. Die Schicksalsheftigkeit eines Zusammentreffens und die fortan nicht mehr zu verleugnende Anziehungskraft zwischen zwei Liebenden, die große Melodramen bis heute auszeichnen, kommt in den ersten drei Episoden aber definitiv zu kurz.
Dennoch ist "Ein Hauch von Amerika" sehenswert. Nicht nur, weil die Macher deutlich darum bemüht sind, das inzwischen längst bis zum Überdruss strapazierte öffentlich-rechtliche Genre der Historienverfilmungen mit zahlreichen bewusst gewählten Akzenten aufzubrechen, sondern auch durch die Tatsache, dass sie Alltagsrassismus Afroamerikanern gegenüber als durchgängigen Handlungsstrang ins Zentrum einer solchen Produktion stellen. Dieser neue Blick auf das historische Event-Genre tut gut. Das sechsteilige Drama ist sicher nicht perfekt, aber dennoch eine unterhaltsame Fabel über Freiheitsdrang, Neubeginn, der Überwindung von Menschenfeindlichkeit sowie der Sehnsucht nach Selbstbestimmtheit und Modernität - Themen, die letztendlich zeitlos sind.
Diese Kritik beruht auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Ein Hauch von Amerika".
Die lineare Ausstrahlung von "Ein Hauch von Amerika" erfolgt ab heut (1. Dezember 2021) um 20.15 Uhr im Ersten. Alle sechs Folgen der Miniserie sind bereits in der ARD Mediathek abrufbar.
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