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TV-Kritik/Review: "Eiskalte Engel": 90er-Jahre-Kultfilm wird für Prime Video auf Staffellänge gestreckt
(20.11.2024)
In der unendlichen Remake-Welle unserer Tage hat sich Amazon Prime Video einen Kultfilm der späten Neunzigerjahre vorgeknöpft:
Erinnern wir uns: "Eiskalte Engel" war damals ja selbst eine Art Remake. Als Vorlage diente der Briefroman "Gefährliche Liebschaften" von Choderlos de Laclos, erschienen 1782 als saftig-böser Abgesang auf die korrumpierte Moral im vorrevolutionären Ancien Régime. Ende der 1980er-Jahre waren zwei stilbildende Verfilmungen entstanden:
Das Problem, ein derart knackig gebautes Anderthalbstundenwerk auf Serienlänge zu strecken, liegt auf der Hand. "Eiskalte Engel" hielt sich damals in der dramaturgischen Struktur ziemlich genau an den Plot des 200 Jahre alten Romans; es ging zentral um das Spiel mit den Emotionen. Der Reichtum der Protagonisten (die im Film, anders als im Roman, Stiefgeschwister waren) diente dabei zwar als Hintergrund, ein Game of Thrones aber, ein Spiel um politischen oder sozialen Einfluss, war es entschieden nicht.
Notgedrungen muss derselbe Stoff in Serienform - acht Folgen zwischen 37 und 47 Minuten - nun größer aufgezogen werden. Die beiden Autorinnen Phoebe Fisher und Sara Goodman haben beide schon für die schnell eingestellte Serienversion von
Aus Sebastian Valmont ist Lucien Belmont geworden. Der australische Newcomer Zac Burgess trägt die derzeit modische Herrendauerwelle mit bübischem Selbstbewusstsein. Sonderlich viel mehr ist über Belmont, den Burgess spielt wie eine etwas leichtgewichtige Toyboy-Mischung aus Joseph Gordon-Levitt und Heath Ledger, kaum zu sagen: Er ist ein postpubertärer Womanizer, der alle abkriegt, die er will, ein Filou und Spielkind, der mit Markensonnenbrille durch die Gegend tänzelt und (wie im Film) im offenen Oldtimer durch die Straßen kurvt. Dazu dudelt (auch wie im Film) jede Menge Pop auf der Tonspur, und weil schon relativ am Anfang eine Variation der Ballade "Bitter Sweet Symphony" von The Verve zu hören ist, die seinerzeit die berühmte Schlussszene untermalte, wird der versuchte Schulterschluss zur Vorlage deutlich spürbar: Alte Fans sollen nostalgisch gepackt und ihre heutigen Teenie-Kinder auf vergleichbarer Ebene emotional abgeholt werden.
Kommen wir also lieber zum Plot: Während Lucien einfach ein beliebtes Mitglied der Studierendenverbindung Alpha Gamma Zeta zu sein scheint, sitzt Caroline ihrer eigenen Verbindung (Delta Phi Pi) sonnenköniginnengleich als Präsidentin vor. Das Ränkespiel, das in der ersten Folge losrollt, ist nun allerdings nicht mehr in amouröser Rache, gekränkter Eitelkeit oder im bloß niederträchtigen Spiel begründet (der Originaltitel von Serie und Film lautet "Cruel Intentions" = "grausame Absichten"), es hat vielmehr soziopolitische Gründe. Weil Scott Russell (Khobe Clarke), Sohn eines republikanischen Kongressabgeordneten (Jon Tenney aus
Weil die Tochter des amtierenden US-Vizepräsidenten neu ans College kommt, will Caroline nun alles dafür tun, sie zu Delta Phi Pi zu locken - eine Aufgabe, die sie ihrem Stiefbruder überantwortet: Er soll Annie Grover verführen! Annie wird sich im Verlauf der Geschichte als weniger naiv erweisen als eingangs gedacht, und Savannah Lee Smith (bekannt aus dem
Der Deal geht so: Wenn es Lucien gelingt, Annie zur Delta-Schwester zu machen, gewinnt er im Gegenzug eine Schäferstunde mit Caroline. Der semi-inzestuöse Twist des Films bleibt also erhalten. Was leider nicht erhalten bleibt, ist die maliziöse erotische Aufgeladenheit des Films. Zwar wird auch diesmal wieder eifrig kopuliert, werden imposante männliche Oberkörper und leicht geschürzte Model-Girls vor die Kamera gestellt, und doch wirkt das Ergebnis ungleich prüder. Vor allem wirkt es ungleich weniger verspielt. Dass der zentralen Intrige mit der Politmechanik am Campus nun ein "handfester" Grund zugrunde liegt, raubt dem Stoff seine lustvolle Selbstbezüglichkeit. Das Experimentelle der amourösen Versuchsanordnung verwässert sich hier im herkömmlichen Politgeklüngel. Anders gesagt: Wo es damals um zwei private Puppenspieler ging und ihre (gar nicht so) wehrlosen "Opfer", muss man sich heute durch eine sehr übliche Frat-House- und Sorority-Folklore arbeiten und unsympathischen Knalltüten in Lacoste-Pullundern bei wenig geistreichen Gemeinheiten zuhören.
Und obwohl man sich davor hüten sollte, derartiges Oberflächen-Entertainment auf politische Untertöne hin abzuklopfen, kann man hier, wo sich alles unter Politikersprösslingen und "Nepo Babies" abspielt, gar nicht anders, als angesichts der politischen Entwicklung in den USA recht befremdet darauf zu blicken. Das Gerede der höheren Töchter über unbefleckten Leumund und eine ehrenhafte High Society wirkt rührend veraltet angesichts einer designierten US-Regierung aus Frühstücksmoderatoren, Fernsehdoktoren und vorbestraften Verschwörungstheoretikern. Vor diesem Hintergrund wirkt die weichzeichnerische Verklärung von Faschisten als "machtgierige Philantropen", die Carolines rechte Hand CeCe (Sara Silva) einmal anstellt, auch gar nicht mehr so verspielt, wie es (hoffentlich) gemeint war.
Überhaupt die weiteren Figuren: CeCe etwa, die mit ihrem Vorbild Cécile (aus Roman und Film) nur noch wenig gemein hat, erscheint als aggressiv ehrgeizige Sorority-Managerin mit Nasenoperation und irrem Giggeln ebenso als Karikatur wie Scott, der als heimlich schwule, betont einfältige Sportskanone eine tumbe Lachnummer ist. Sein Lover Blaise (John Harlan Kim aus
Interessanter sind zwei andere Figuren: Prof. Chadwick, dem sich CeCe als Hilskraft (und Love Interest) andient, wird von Sean Patrick Thomas gespielt, dem einzigen Überbleibsel des Films. Damals spielte er Céciles Klavierlehrer; die Rolle ist jetzt eine andere, die Vorlage aber dieselbe. Neu hinzu kommt die rebellische Beatrice Worth (Brooke Lena Johnson), die es sich zur Aufgabe macht, die versnobten "Greeks" (so heißen die Verbindungen, weil sie stets nach griechischen Buchstaben benannt werden) aktivistisch zu attackieren. Ihr linkes Umfeld wird, sicher sehr zur Freude des Trump-Milieus, als "woke" Latzhosenbrigade denunziert.
Was hier die eigentliche satirische Stoßrichtung ist, bleibt in der ersten Serienhälfte unklar. Gewiss, wie in den Vorlagen sollen die Reichen und Mächtigen bloßgestellt werden. Doch das ist nicht so einfach, wenn die Protagonisten in ihrer abgründigen Niedertracht trotzdem so viel Sympathie generieren müssen, dass sie das Publikum auf Serienlänge bei der Stange halten. Geplant worden scheint mit dieser Politsatire für Cozy-Crime-Leser so etwas zu sein wie ein Jetztzeit-
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier (von acht) Episoden von "Eiskalte Engel".
Die achtteilige erste Staffel von "Eiskalte Engel" wird bei Amazon Prime Video am Donnerstag, den 21. November auf einen Schlag veröffentlicht.
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