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TV-Kritik/Review: "The Stand": Miniserie nach Stephen Kings Romanepos bremst sich selbst aus
(02.01.2021)
Man könnte vermuten, dass es nach einem globalen Krisenjahr virusbedingter Einschränkungen und weltweit 1,8 Millionen Toten (Stand Neujahr 2021) einer Sache ganz gewiss nicht mehr bedarf: einer Serie, die von einer weltweiten Virus-Pandemie erzählt, die über 99 Prozent der Bevölkerung ausrottet und es den immun Übriggebliebenen auferlegt, eine neue Gesellschaft aufzubauen. Doch genau solch ein Szenario wird in
Als "Das letzte Gefecht", so der deutsche Buchtitel, 1978 erschien, konnte man den Plot noch ganz als Dark Fantasy genießen, obgleich auch damals schon, noch vor Aids, Sars und anderen infektiösen Heimsuchungen, die Möglichkeit einer sich katastrophisch ausweitenden Seuche als unangenehm realistischer Überbau galt. Als King den Roman schrieb, wurden gerade die ersten Fälle von Ebola in Zaire verzeichnet. Inzwischen ist Kings Roman durch spätere Überarbeitung auf weit über 1000 Seiten angeschwollen: Das Endzeit-Epos, das sich zum post-apokalyptischen Kampf zwischen Gut und Böse ausweitet, ist der umfangreichste (Einzel-)Roman des Horror-Königs und vor allem durch sein ausschweifendes Figurenarsenal eine harte Übung für jeden, der eine halbwegs übersichtliche Verfilmung plant.
1994 hat CBS das bereits probiert:
Zumindest darauf also kann man gespannt sein. Der Rest ist, dem Anschein der ersten Episoden nach, leider nur teilweise interessant. Von den vielen Figuren des Romans wurden zwölf für den Main Cast ausgewählt, wovon zwei in den ersten zwei Folgen noch gar nicht aufgetreten sind: der hippieske Professor Glen Bateman (Greg Kinnear,
Das liegt daran, dass sich Boone und Cavell, möglicherweise aus der Not heraus, das Material für ihre immerhin neunstündige Erzählzeit sortieren zu müssen, zu einer dem Roman entgegengesetzten Erzählweise entschlossen haben: Schon in der Pilotepisode wird vor- und zurückgeswitcht zwischen der Zeit des Ausbruchs des (vom Militär entwickelten) Grippevirus und den Ereignissen mehrere Monate später, wenn einige Überlebende in Boulder, Colorado, eine sogenannte "Free Zone" aufbauen, die sich zur Keimzelle einer neuen Zivilisation auswachsen soll. Nach und nach werden nun die immun bleibenden Protagonisten eingeführt, wobei die Episoden jeweils zwei bis drei von ihnen ins narrative Zentrum stellen.
In der Pilotfolge geht es um den jungen Nerd Harold Lauder (Owen Teague,
In der zweiten Folge werden dann die undurchsichtige Lehrerin Nadine Cross (Amber Heard,
Weil aber von diesem durchaus zwingend inszenierten Ausbruchsszenario immer wieder in das "Später" der Erzählung vorgeblendet wird, in der man unter anderem schon erfährt, dass Stu mit Frannie zusammenkommen wird, geht der Seriendynamik Entscheidendes verschütt: Im Roman war man mit allen zentralen Figuren längst vertraut, ehe dann in Boulder Anlauf genommen wurde für das "letzte Gefecht". In der Serie werden dagegen wichtige Wendungen innerhalb der Figuren schon vorweggenommen, was sowohl für Kenner als auch Nichtkenner der Vorlage alles andere als ideal ist.
Der Endkampf zwischen den Guten (der "Kommune" in Boulder) und den Bösen (die sich natürlich im Sündenpfuhl Las Vegas versammeln) ist der Fluchtpunkt des Romans. (Warum derartige Bossfights in immerhin weltumspannenden Katastrophenszenarien grundsätzlich in den USA stattfinden und nicht etwa, sagen wir mal, in Italien oder Bhutan, wäre an anderer Stelle zu erörtern.) Sortiert werden die beiden sich am Ende gegenüberstehenden Gruppen ganz King-typisch durch Träume: Stu, Frannie & Co. folgen den Traumrufen der 108-jährigen Mother Abagail (in der Serie gespielt von der nicht ganz 108-jährigen Whoopi Goldberg,
Die zwei Zeitebenen stehen aber selbst dieser manichäischen Aufteilung der Figuren im Weg. Weil wir zum Beispiel schon in der ersten Folge erfahren, dass Harold seiner verehrten Frannie das Liebesglück mit Stu missgönnt und sich daraufhin so teuflisch gebärdet wie ein misogyner Incel in den Kommentarspalten des Internets, ist seine spätere Hinwendung zum Bösen keine Überraschung mehr. Lloyd Henreid dagegen (Nat Wolff,
Gewiss, es ist dem achtbaren Cast, den beteiligten Autoren und der kompetenten, vielleicht ein wenig zu oft auf Popsongs setzenden Regie durchaus zuzutrauen, dass sie, wenn denn mal alle Figuren eingeführt wurden, mehr Zug und Drama in den Plot bringen können. Doch Stand hat man als Zuschauer stets das Gefühl, ein paar wichtige Episoden verpasst zu haben: Die Reisen der einzelnen Protagonisten hin nach Boulder sind im Roman schlicht viel zu entscheidend für das, was danach kommt, als dass sie bloß nachgeliefertes Material für Flashbacks sein dürften. Der emotionalen Involviertheit des Publikums ist das abträglich - und ob das, ganz gleich, ob und wie sich das am Ende rundet, im Sinne der Erfinder war, ist fraglich.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der Minisierie "The Stand".
Die Miniserie "The Stand" wird seit dem 17. Dezember 2020 mit wöchentlichen Episoden beim Streamingdienst CBS All Access in den USA veröffentlicht. Ihre Deutschlandpremiere hat sie ab 3. Januar 2021 beim Streaminganbieter Starzplay, der neue Episoden ebenfalls wöchentlich veröffentlicht.
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