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TV-Kritik/Review: "Interview with the Vampire": Blut, Sex und Einsamkeit
(09.10.2022)
In der Schlüsselszene der ersten Folge von
Der im Buch kaum zu überlesende homoerotische Subtext war im Film mit Tom Cruise (als Louis) und Brad Pitt (als Lestat) zwar deutlich erkennbar, doch Regisseur Neil Jordan schreckte damals noch davor zurück (bzw. musste er wohl davor zurückschrecken), die Beziehung von Louis und Lestat ganz direkt als schwule Romanze zu inszenieren - was viele Fans von Rices "Vampir Chroniken" schon damals enttäuschend fanden. Die auf männliche wie weibliche Menschenhälse gleichermaßen fixierten Vampire sind in der Tradition des Gothic Horror schließlich schon immer (bi-)sexuell kodiert - dennoch ging man damals noch nicht so weit: Cruise und Pitt (und Antonio Banderas) warfen sich zwar eindeutig zweideutige Blicke zu, aber dabei blieb es.
Die seit einigen Jahren hin- und herentwickelte und jetzt beim US-amerikanischen Pay-TV-Kanal AMC gestartete Serienfassung korrigiert das beherzt. Das Sehnen und Begehren des unsterblichen Vampirduos generiert nicht nur jede Menge Pathos, sondern auch Sexszenen und überraschend viel Witz: Wenn das nachtaktive Paar seine Tage in nebeneinander platzierten Särgen verbringt und im Anschluss an einen Beziehungsknatsch noch mal kurz die Deckel öffnet, um sich (im Pyjama) auszusprechen, weht ein Hauch skurriler Vampirkomödie à la
Und noch mehr ist neu an und in dieser Serie, an der Anne Rices Sohn Christopher Rice federführend beteiligt ist. Zum Beispiel die Rahmenhandlung, die hier wie im Roman und in der Erstverfilmung die Interviewsituation bildet - allerdings zeitlich um Jahrzehnte verschoben. Aus dem Jungreporter Daniel Molloy (im Film gespielt von Christian Slater, der den Part kurzfristig vom tragisch verstorbenen River Phoenix übernahm), ist ein gealterter und an Parkinson erkrankter Zyniker geworden: Eric Bogosian (
Das Setting der Interviewsitzungen wurde dahin verlegt, wo heutzutage wahrscheinlich auch reale Blutsauger (egal welcher Art) verlässlich Zuflucht finden: in ein schickes, mit abdunkelbaren Fenstern ausgestattetes Luxusloft in Dubai, das mit seinen geschwungenen Torbögen und Felsmaterialien aussieht wie die Designergruft aus einem Coffee-Table-Book. Dort residiert Louis (Jacob Anderson, bekannt als Grauer Wurm aus
Was Louis rückblickend über sein Leben erzählt, folgt im Kern der Geschichte aus Rices Roman "Gespräch mit einem Vampir", der 1976 ihren Durchbruch markierte und obendrein der erste Eintrag in ihrer erfolgreichen "Chronik der Vampire" war. Man erfährt, wie Louis vom adligen Blonden Lestat (Sam Reid,
Inhaltlich nimmt Showrunner Rolin Jones (zuletzt Autor des
Zweitens ist aus dem weißen Plantagenbesitzer Louis in der Serie ein Schwarzer geworden, der das Geld aus dem Zuckerrohranbau des verstorbenen Vaters als Bordellmanager durchzubringen versucht, um die Familie zu ernähren. Puff- statt Plantagenbesitzer und Sklavenhalter: Natürlich ist das viel sympathischer. Der Hautfarbenswitch ist dabei definitiv kein Akt vorauseilender "Wokeness" (auch wenn die üblichen Rassisten genau dies im Netz erwartbarerweise längst behaupten), sondern ein intelligenter erzählerischer Kniff, der Louis' Außenseiterposition sowie seine Beziehung zum (weißen) Lestat mit zusätzlicher Tiefe ausstattet: So wird Louis in New Orleans von den korrupten Stadtfürsten, mit denen er Geschäfte macht, allenfalls geduldet, wobei ihm ständig suggeriert wird, dass er froh sein müsse, überhaupt mitmischen zu dürfen. Dass sich die Männer vom finanziellen Erfolg des von ihnen so betitelten "N(-Wort)" bedroht fühlen, schwingt immer mit.
Louis' verdrängte Sexualität wabert zudem beständig unter der Oberfläche. Sie offen auszuleben, scheint schier unmöglich, auch wenn Louis' psychisch kranker Bruder (Steven G. Norfleet aus
Durchaus erstaunlich ist jedenfalls, wie gut diese Umstrukturierung, diese geänderte Schwerpunktsetzung im queeren und ethnischen Kontext funktioniert, denn niemals schiebt sich irgendwas Verkopftes oder gewollt Politisches vor die Sinnlichkeit der Erzählung. "Interview with the Vampire" ist immer noch jenes düstere, schauerromantische Gruselmärchen, als das es von Roman und Film etabliert wurde. Von "Game of Thrones"-Regisseur Alan Taylor gespickt mit einigen durchaus harten Gore-Momenten und niemals ohne Witz, bleibt der Story auch ihre melodramatische Schwülstigkeit erhalten, für die sie viele immer geliebt haben. Jacob Anderson und Sam Reid sind dafür ein fantastisches Duo. Man nimmt ihnen ihre anfängliche Verliebtheit (ihre Spaziergänge werden von Daniel Harts tänzerischem Score untermalt wie eine Liebeskomödie aus dem alten Hollywood) und gegenseitige Faszination ebenso ab wie die qualvollen Zerwürfnisse, in die sie sich bald verwickeln: Louis fühlt sich abgestoßen von Lestats moralbefreitem Menschenmorden und hadert mit seiner neuen Existenz. Und auch Taylor, sein kinoerfahrener Kameramann David Tattersall und die Tonabteilung finden verlässlich gute Lösungen, etwa für Louis' sich verändernde Wahrnehmung und für die telepathische Kommunikationsform, derer sich der magnetisch anziehende Lestat bedient.
Insgesamt gelang hier eine überraschend prägnante Neudeutung des bekannten Stoffs, die durchaus auf mehr aus ist: Schon vor dem Start wurde von AMC eine zweite Staffel bestellt. Ob diese ebenfalls auf dem "Interview"-Roman basiert oder Rices weitere Romane anzapft, das wird sich zeigen - der Sender plant jedenfalls, für das Leben nach
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Interview with the Vampire".
Die erste Staffel von "Interview with the Vampire" läuft seit dem 2. Oktober bei AMC und AMC+. Eine deutsche Heimat ist noch nicht bekannt geworden.
Über den Autor
Leserkommentare
Flapwazzle schrieb am 10.10.2022, 16.52 Uhr:
Nach der "herausragenden" Kritik habe ich die Serie von der Watchlist genommen. Bei "The Originals" liebe und feiere ich den diversen Cast, dort passt er auch einfach.
Hier passt der Cast nun wieder überhaupt nicht. Also bleibe ich bei "The Originals". Man kann eh nicht Alles schauen. So what.xena123 schrieb am 10.10.2022, 07.21 Uhr:
Oh Gott, Blacula is back...
Das Wichtigste Element einer Serie ist die Identifikation, die ein Eintauchen, ein Mitgehen, ein Mitfühlen verursacht. Ist bekannt...
Neuerdings möchte man sich des einfältigen "Tricks" bedienen, es jedem Menschen auf diesen Planeten recht zu machen - was ausschließlich dazu führt, dass sich fast keiner wiederfindet.
Jung, alt, schwarz, weiß, rot, gelb, Mann, Frau, hetero, schwul, rechts, links, gehandicapt, gesund, bi, pan, Erdling, Busenmonster vom Jupiter... jeder 1%er soll sich angesprochen fühlen - was bedeutet, dass es 99% NICHT tun.
Und so verkommt ein anspruchsvolles Spiel indem sich eine Generation verloren hat zu einem erwachsenenpädagogischen Reclamheft, indem die Geschichte nur Mittel zum umerziehenden Zweck ist.
Schade!MacBlack schrieb am 09.10.2022, 23.41 Uhr:
Hach. Das liest sich sooo vielversprechend und ich bin schon seit der ersten News, dass da iwann mal ne Serie geplant ist, voll gehypt. Und jetzt das Aber: Die Besetzung. Sorry, aber Anderson war schon in GoT nur anstrengend. Der guckt durchgehend, als ob er entweder gleich nen Wutanfall hat oder verstopft ist. Oder beides gleichzeitig. ;o)
Und erst Reed. Oh jehminee. Lestat ist praktisch fleischgewordenes Charisma - Reed ist ungefähr so charismatisch wie mehlig kochende Kartoffeln. Der Trailer hilft mir da kein Stück: Ich seh dort überall Verstopfung und Kartoffelmatsch. Und jetzt weiss ich auch nicht mehr...*hmpf*
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