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Die Apokalypse hat einen Lauf! Ob's die Zeichen der Zeit sind oder purer Zufall, ob nur einer tiefsitzenden Angstlust geschuldet oder ob eine ganze Zunft dringend auf die Couch müsste - wir wissen es nicht. Fest steht aber, dass der stete Nachschub an (post-)apokalyptischen Filmen und Serien, der uns seit mittlerweile einigen Jahren heimsucht, so schnell wohl nicht versiegen dürfte.
Den nächsten Apokalypse-Schauer gibt's nun mit
Bei der Neumenschen-Genese federführend wirken zwei Androiden: "Mother" (Amanda Collin) und "Father" (Abubakar Salim aus der Brit-Krimiserie

Über eine halbe Stunde nimmt sich die Pilotepisode Zeit, um die Entwicklung dieser absonderlichen Familie zu beschreiben - absonderlich ist sie schon deshalb, weil Mother und Father sich die ganze Zeit in einem freundlich-distanzierten, trotz der unwirtlichen Umgebung stets optimistischen Tonfall unterhalten. Fast erinnert ihr Geplänkel eingangs, wenn sie da so durch die Wüste marschieren, an R2D2 und C3PO. Dann aber, wenn sie mit minimalsten Mitteln Gemüse anpflanzen, erinnert das surreale Szenario eher an
Scott brachte dafür seinen Stammkameramann Dariusz Wolski mit, mit dem er seit
Die erste halbe Stunde jedenfalls kratzt am Meisterwerk-Status, was nicht nur an Scotts Inszenierung liegt, die das Publikum sofort für die karge Umgebung auf Kepler-22b einzunehmen vermag, sondern auch am famosen Spiel von Abubakar Salim und Amanda Collin als Father und Mother. Vor allem die Dänin Collin, international ein Newcomer, fasziniert: Wie sie innerhalb eines Augenblicks zwischen streng, besorgt, fürsorglich und bedrohlich abwechselt, zwischen Antagonistin und Protagonistin oszilliert, das ist von Anbeginn an ebenso irritierend wie verblüffend. Ihr Spiel setzt reizvolle Gedanken- und Frageketten in Gang: Was hat es mit diesen Androiden auf sich? Zeigen sie menschliche Gefühle, und wenn ja, sind sie wirklich nur programmiert? Wer ist dieser "Creator" - allein die Namensgleichheit des Technikerfinders mit dem (Schöpfer-)Gott der monotheistischen Religionen führt den Auftrag der Androiden, eine religionsfreie Welt in Gang zu bringen, clever ad absurdum. Und was ist mit Guzikowski, dem "Creator" der Serie, der sich den "Creator" seiner Erzählwelt ausgedacht hat? Und mit Knirps Campion, der die erste Episode aus dem Off erzählt und damit sozusagen erfindet? Ist jeder Erzähler sein eigener Messias?

Als gegen Ende der knapp einstündigen Pilotepisode dann neue Figuren in die Erzählung einbrechen, verliert das Geschehen sofort an Reiz: Die Einheit aus Raum und Zeit wird aufgebrochen, die bis dahin so konzentrierte Erzählung ufert aus und wird dabei profaner. Was passiert? Father verliert den Glauben an die Funktionsweise der zu diesem Zeitpunkt dezimierten Familie, er kontaktiert Fremde und muss dafür bitter büßen (auf das Erschrecken darüber gibt es in der zweiten Episode eine weitere Überraschung). Als Abgesandte der Mithraic (einer religiösen, den Sonnengott Sol anbetenden Menschheitsfraktion, die sich kleiden wie Tempelritter auf Stormtrooper-Trip) auf Kepler 22-b landen, ist Mother sofort skeptisch - und als die Mithraic sich respektlos an den Gemüsevorräten bedienen und dann Campion entführen wollen, mutiert Mother schließlich zur fliegenden Furie, zum Todesengel mit leeren Augen. Sie entert das Raumschiff (die "Arche") der Mithraic und lässt alle, die sich ihr entgegenstellen, mit Killerblick und spitzen Schreien in Blutwolken zerplatzen. Donnerwetter - wer in dieser markerschütternden (und sehr, sehr blutigen) Sequenz zufällig gerade zum Teetrinken ansetzt, hat hoffentlich ein Lätzchen an.
Nach ihrem Amoklauf holt Mother fünf Kinder und Jugendliche aus dem Mithraic-Raumschiff runter auf Kepler 22b, gleichsam als Ersatz für die bis dahin gestorbenen Sprösslinge, während mit der Geschichte des Mithraic-Paares Marcus (mit neuem Bart:

Konfliktpotenzial ist sicherlich genug da für die weiteren Episoden, und doch fühlen sich diese Entwicklungen schon jetzt leicht kolportagehaft an: Aus der elementaren, fast archaisch konzentrierten Landnahmegeschichte der Pilotepisode bewegt sich das Geschehen hin in Richtung einer konventionelleren Science Fiction.
"Raised By Wolves" ist fraglos eine im direkten Wortsinn sehenswerte Serie - und zudem eine hörenswerte, denn der Soundtrack des australischen Avantgardemusikers Ben Frost (
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie "Raised By Wolves".
Die erste Staffel von "Raised By Wolves" wird ab dem 16. September mittwochs um 20.15 Uhr in Doppelfolgen beim Pay-TV-Sender TNT Serie erstausgestrahlt.
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Leserkommentare
User_929455 schrieb am 21.09.2023, 21.14 Uhr:
Die Kritik passt zwar aber nachdem die Serie nach Folge 2-08 eingestellt wurde kann man die Serie trotz der Schauwerte und der die Serie tragenden 'Mother' nicht empfehlen, nicht nur wegen der kruden Ideen und Wechsel der Glaubens-Ansichten sondern schon allein weil am Ende jede Menge offene Erzählstränge aufgemacht und nicht mehr beendet wurden.Lysander schrieb am 19.09.2020, 19.51 Uhr:
ps: ich will damit sagen, gerade bei so einer klugen Serie könnte es sich ja lohnen, sich ein paar kluge Gedanken dazu zu machen :-)Lysander schrieb am 19.09.2020, 19.48 Uhr:
Danke für die Rezension. Der Autor beschränkt sich darin aber sehr stark nur auf die oberflächlichen Schauwerte. Das ist sehr schade. Ich hatte eigentlich gehofft, der Autor würde ein bisschen tiefer einsteigen und war gespannt auf seine Interpretation der Bezüge zur "Romulus und Remus"-Sage. (Brüder von Wölfen aufgezogen, Stadtgründung Roms, etc.) Denn was will so eine Serie mit einem solchen Thema über unsere eigene Zeit aussagen? (Gute Kunst diskutiert ja in Wahrheit unsere eigene Gegenwart - auch über das Mittel der Science Fiction - und diese Erwartung habe ich an Ridley Scott eigentlich). Was möchte der Altmeister also erzählen über einen Zeitenwechsel, in dem eine Kultur untergeht und möglicherweise eine neue entsteht. Welche Kräfte sind da am Werk? Wie werden Werte verhandelt? Welche fatalen Fehler können gemacht werden? Und welche Fortschritte können erzielt werden. Gibt es Fortschritt überhaupt oder nur Veränderung? Diskutieren wir knapp 1000 Jahre nach den Kreuzzügen immer noch über die gleichen Fragen? Denn ich denke, nicht umsonst haben diese Mithraisten Kreuzritterrüstungen an. Und nicht Umsonst steht die Gründung Roms als Symbol dafür, wie eine entwickelte Zivilisation aus einen Stück Acker heraus entstanden ist. All diese Fragen vermisse ich in dieser rezension und frage mich, ob die Rezension im Grunde auch ein Kommentar zu unserer Zeit ist: Wir konsumieren nur noch Schauwerte - aber machen uns nicht mehr die Mühe, darüber nachzudenken. Da hatte ich mir mehr erhofft ...
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