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TV-Kritik/Review: "The Offer": Die überaus schwierige Geburt des "Paten"
(03.05.2022)
Auch 50 Jahre nach seiner Kinopremiere wird Francis Ford Coppolas Mafiaepos
Die Idee, von der Entstehung eines der größten Kinoereignisse der Filmgeschichte nicht etwa aus Sicht der bekanntesten Stars, sondern aus der Perspektive einer dem breiten Publikum eher unbekannten Figur zu erzählen, ist eigentlich eine reizvolle, bietet sie doch die Chance, sowohl das gewünschte Insiderwissen zu nutzen als auch aus registrierender, liebevoll ironischer Distanz auf die bekannteren Beteiligten zu blicken. Im Fall von "The Offer" aber wirkt der Versuch von Anfang an etwas schal, denn im Mittelpunkt steht hier der Filmproduzent Albert S. Ruddy, der heute 92 Jahre alt ist, damals den Film und jetzt auch die Serie produzierte und dessen Anekdotenschatz die Grundlage für die Drehbücher lieferte. Wer dabei sofort einen mittelschweren Fall von "Opa Albert erzählt vom Krieg" vermutet, liegt leider nicht ganz falsch: Die Serie, die Ruddy als kühnen und hochintelligenten Haudegen porträtiert, weist leicht eitle Züge einer nachträglichen Selbstbeweihräucherung auf: Seht her, solche Draufgänger waren wir damals! Man fragt sich daher schnell, an wen sich das alles eigentlich richten soll.
Fans der "Pate"-Trilogie mögen den Turbulenzen rund um den Film und seine Genese mit Interesse folgen, zumindest so lange, bis sie merken, dass Hauptautor Michael Tolkin dabei fröhlich ins Fantastische weiterfabuliert, vor allem, wenn es um die Mafia geht, die den Film verhindern wollte: Dokumentarische Qualitäten hat die Serie nur begrenzt.
Zuschauer, die generell am Kino und seinen Produktionsbedingungen oder am US-Kino am Übergang zu New Hollywood im Besonderen interessiert sind, werden zwar durch eine wahre Anspielungs-Orgie bei Laune gehalten; sie können Zitate und Referenzen im Sekundentakt abhaken, kaum eine Szene vergeht ohne Namedropping, ständig läuft irgendein damaliger Star (beziehungsweise ein heutiger Darsteller in dessen Rolle) durchs Bild, und nach jedem Schnitt wartet das nächste Easter Egg. Doch bald schon bekommt all dies die Anmutung eines verfilmten Wikipedia-Artikels über eine vergangene Zeit, in der Männer noch Männer sein durften, egal ob beim Film oder der Mafia, und Filme noch Filme waren und kein beim Kochen, Chatten oder Sockenfalten konsumiertes Nebenher-Entertainment auf Streamingdiensten wie Paramount+. Einmal guckt Ruddy im Kino
In der ersten Folge deckt der Plot gleich ein halbes Jahrzehnt ab - man sieht Ruddy (gespielt von Miles Teller aus
Produzentenlegende Robert Evans (bester Mann im Cast: Matthew Goode aus
Evans sichert sich die Option zu "Der Pate", doch erst, als sich der Roman zum Bestseller mausert, kommen die Dinge ins Rollen und Ruddy erhält das titelgebende Angebot, das er nicht ablehnen kann (und auch gar nicht ablehnen will): Er soll die Verfilmung als zuständiger Produzent auf die Beine stellen.
Im ewigen Kampf gegen die Paramount-Besitzer von Gulf & Western (Colin Hanks spielt einen verkniffenen Buchhalter, Burn Gorman sehr schön den österreichisch schlawinernden Chef Charles Bluhdorn) schreitet der Entwicklungsprozess voran: Erst wollen die Entscheider keinen Gangsterfilm finanzieren, weil das Genre Anfang der Siebziger völlig out ist, dann wollen sie nicht, dass Puzo das Drehbuch selbst schreibt, auch wollen sie nicht, dass der damals nur halbbekannte Coppola (gut: Dan Fogler aus den
Weil wir als Zuschauer aber wissen, dass das Projekt am Ende wunderbar aufgeht, dass die Kassen klingeln und die Oscars regnen, halten sich Überraschung und Spannung in Grenzen. Der Reiz liegt die meiste Zeit über eher in der getreulich nachempfundenen Sixties- und Seventies-Deko und den mit Schlaghosen, Koteletten und getönten Brillen zeittypisch kostümierten Branchenfiguren.
Vielleicht um dieser mangelnden inneren Spannung etwas entgegenzusetzen, wird dem Einfluss des italienischen Gangsterwesen arg viel Gewicht beigemessen. Schon Puzos Roman passte den "Fünf Familien", den großen Mafiaclans an der US-amerikanischen Ostküste, gar nicht, sie fürchteten um ihr Image. Der aufstrebende "Pate" Joe Colombo (Giovanni Ribisi), Gründer der Italian American Civil Rights League, wird damit beauftragt, die potenziell publikumsträchtige Verfilmung zu verhindern, doch die klischeehafte Art, wie Regisseur Dexter Fletcher (
Ruddy muss also nicht nur gegen die Strukturen des Hollywood-Systems kämpfen, sondern auch gegen die Einmischung der Kriminalität. Und so werden die unkaputtbaren Anekdoten über Frank Sinatra, der sich angeblich in der Filmfigur des mafia-assoziierten Sängers Johnny Fontane wiedererkannte und in Hollywood deshalb mit Mario Puzo aneinandergeriet, ebenso bebildert wie die Story, dass der geplante Fontane-Darsteller Vic Damone, ein Las-Vegas-Sänger, (angeblich) auf Druck der Mafia wieder absagte, oder dass Robert Evans auf einem Hotelzimmerbetter eine (angeblich) von der Mafia dort deponierte tote Ratte vorfand, oder natürlich Ruddys Behauptung, dass auf ihn vor Drehbeginn Warnschüsse abgefeuert worden seien - vom Westküsten-Gangster Mickey Cohen, der, das zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher, damals allerdings im Knast saß.
Derlei Ausschmückungen sind natürlich nichts Schlimmes - würde sich daraus eine originelle Erzählung ableiten, doch Tolkin tendiert dazu, aus Ruddys Erinnerungen nur das Alleroffenkundigste zu destillieren. Das fängt schon beim Serientitel an, der sich auf die berühmte Filmdialogzeile "I'm gonna make him an offer he can't refuse" bezieht, und endet nicht bei den übergriffigen Interpretationshilfen, die einem hier ständig zu "Der Pate" unterbreitet werden. Das sei ein Film über den American Dream, über Familien, übers Kochen. Ach so!
In diesem Boys' Club aus Erfolgsfritzen, die Dinge regeln, weil es halt Dinge zu regeln gibt, ist eigentlich kein Platz für nennenswerte weibliche Figuren; weil das aber anno 2022 schwer zu vermitteln wäre, wurden einige der "in zweiter Reihe" beteiligten Frauen in dieses Game mit einbezogen. So dürfen die wunderbare Juno Temple (
Vielleicht klingt das alles negativer als beabsichtigt. Wer einfach Spaß am Anekdotischen haben möchte, wird von "The Offer" gut unterhalten, keine Frage. Die Produktionswerte sind sehr hoch, die Darsteller teils fantastisch. Dennoch bleibt die Frage bestehen, ob es ein bisschen weniger Selbstfeier und Selbstmythologisierung nicht auch getan hätte. Michael Tolkin hat vor 30 Jahren als Autor von Robert Altmans legendärer Branchensatire
Dieser Artikel beruht auf der Sichtung der ersten zwei Episoden der Miniserie "The Offer".
"The Offer" feiert aktuell bei Paramount+ Premiere. Wann die Serie in Deutschland starten wird, ist bislang noch unbekannt.
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