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Miniserie über die Entstehung von Coppolas Filmklassiker verrutscht zur Anekdotenparade
Nimmt das Angebot an: Miles Teller als "Der Pate"-Produzent Albert S. Ruddy
Paramount+
TV-Kritik/Review: "The Offer": Die überaus schwierige Geburt des "Paten"/Paramount+

Auch 50 Jahre nach seiner Kinopremiere wird Francis Ford Coppolas Mafiaepos  "Der Pate" regelmäßig zu den besten Filmen aller Zeiten gezählt. Das Filmstudio Paramount, das das Meisterwerk damals auf die Leinwand brachte, klopft sich bis heute dafür auf die Schulter und beschenkt sich nun zum Jubiläum selbst. Auf dem hauseigenen Streamingdienst Paramount+ gibt es nun die zehnteilige Miniserie  "The Offer" zu sehen, die, großzügig ausgeschmückt, die einigermaßen beschwerliche Entstehungsgeschichte des Films nacherzählt - und dabei immer mehr zur Anekdotenparade mutiert.

Die Idee, von der Entstehung eines der größten Kinoereignisse der Filmgeschichte nicht etwa aus Sicht der bekanntesten Stars, sondern aus der Perspektive einer dem breiten Publikum eher unbekannten Figur zu erzählen, ist eigentlich eine reizvolle, bietet sie doch die Chance, sowohl das gewünschte Insiderwissen zu nutzen als auch aus registrierender, liebevoll ironischer Distanz auf die bekannteren Beteiligten zu blicken. Im Fall von "The Offer" aber wirkt der Versuch von Anfang an etwas schal, denn im Mittelpunkt steht hier der Filmproduzent Albert S. Ruddy, der heute 92 Jahre alt ist, damals den Film und jetzt auch die Serie produzierte und dessen Anekdotenschatz die Grundlage für die Drehbücher lieferte. Wer dabei sofort einen mittelschweren Fall von "Opa Albert erzählt vom Krieg" vermutet, liegt leider nicht ganz falsch: Die Serie, die Ruddy als kühnen und hochintelligenten Haudegen porträtiert, weist leicht eitle Züge einer nachträglichen Selbstbeweihräucherung auf: Seht her, solche Draufgänger waren wir damals! Man fragt sich daher schnell, an wen sich das alles eigentlich richten soll.

Fans der "Pate"-Trilogie mögen den Turbulenzen rund um den Film und seine Genese mit Interesse folgen, zumindest so lange, bis sie merken, dass Hauptautor Michael Tolkin dabei fröhlich ins Fantastische weiterfabuliert, vor allem, wenn es um die Mafia geht, die den Film verhindern wollte: Dokumentarische Qualitäten hat die Serie nur begrenzt.

Zuschauer, die generell am Kino und seinen Produktionsbedingungen oder am US-Kino am Übergang zu New Hollywood im Besonderen interessiert sind, werden zwar durch eine wahre Anspielungs-Orgie bei Laune gehalten; sie können Zitate und Referenzen im Sekundentakt abhaken, kaum eine Szene vergeht ohne Namedropping, ständig läuft irgendein damaliger Star (beziehungsweise ein heutiger Darsteller in dessen Rolle) durchs Bild, und nach jedem Schnitt wartet das nächste Easter Egg. Doch bald schon bekommt all dies die Anmutung eines verfilmten Wikipedia-Artikels über eine vergangene Zeit, in der Männer noch Männer sein durften, egal ob beim Film oder der Mafia, und Filme noch Filme waren und kein beim Kochen, Chatten oder Sockenfalten konsumiertes Nebenher-Entertainment auf Streamingdiensten wie Paramount+. Einmal guckt Ruddy im Kino  "Planet der Affen" und ruft danach enthusiastisch: "So eine Erfahrung kann man im Fernsehen doch nicht machen! Da sitzt man im Wohnzimmer und glotzt in eine kleine Kiste." Die Ironie, dass man "The Offer" nun erst recht im Wohnzimmer ansieht, mit Glück nicht auf einem Tablet oder Smartphone, soll dabei vermutlich mitschwingen.

Der Filou von Paramount: Boss Robert Evans (Matthew Goode) lebt den Party-Zeitgeist.
Der Filou von Paramount: Boss Robert Evans (Matthew Goode) lebt den Party-Zeitgeist. Paramount+

In der ersten Folge deckt der Plot gleich ein halbes Jahrzehnt ab - man sieht Ruddy (gespielt von Miles Teller aus  "Whiplash") Mitte der 1960er-Jahre noch als Programmierer bei der Rand Corporation arbeiten, "Der Pate"-Autor Mario Puzo ist damals noch unbekannt und hochverschuldet. Per Zufall beginnt der studierte Architekt Ruddy, der seinen Genius überall vergeudet sieht, eine Karriere als TV-Serienautor (in einer besonders eitlen Szene überzeugt er CBS von seinem Konzept für  "Ein Käfig voller Helden"), was ihm aber auch schon bald zu öde wird. Er fühlt sich klar zu Höherem berufen, und die Serie lässt keinerlei Zweifel daran, dass er das natürlich auch ist.

Produzentenlegende Robert Evans (bester Mann im Cast: Matthew Goode aus  "The Imitation Game"), in jenen Jahren Boss von Paramount, ein jovialer Filou und keinem 9-Uhr-morgens-Cocktail-Meeting abgeneigt, ist gleich beeindruckt von dem aufstrebenden Tausendsassa, lässt ihn ein paar kleinere Filme produzieren, und wenn er dafür jemanden wie Robert Redford haben will, dann hat Ruddy auch die Chuzpe, direkt nach Mexiko zu fliegen und den Star dort direkt am Set anzuheuern.

Evans sichert sich die Option zu "Der Pate", doch erst, als sich der Roman zum Bestseller mausert, kommen die Dinge ins Rollen und Ruddy erhält das titelgebende Angebot, das er nicht ablehnen kann (und auch gar nicht ablehnen will): Er soll die Verfilmung als zuständiger Produzent auf die Beine stellen.

Im ewigen Kampf gegen die Paramount-Besitzer von Gulf & Western (Colin Hanks spielt einen verkniffenen Buchhalter, Burn Gorman sehr schön den österreichisch schlawinernden Chef Charles Bluhdorn) schreitet der Entwicklungsprozess voran: Erst wollen die Entscheider keinen Gangsterfilm finanzieren, weil das Genre Anfang der Siebziger völlig out ist, dann wollen sie nicht, dass Puzo das Drehbuch selbst schreibt, auch wollen sie nicht, dass der damals nur halbbekannte Coppola (gut: Dan Fogler aus den  "Phantastische Tierwesen"-Filmen) als Co-Autor und Regisseur angeheuert wird. Später sperren sie sich noch gegen die Besetzung des damals unbekannten Al Pacino und des als schwierig geltenden Marlon Brando, wollen schließlich gar den Drehort New York aus Kostengründen durch Kansas City ersetzen.

Weil wir als Zuschauer aber wissen, dass das Projekt am Ende wunderbar aufgeht, dass die Kassen klingeln und die Oscars regnen, halten sich Überraschung und Spannung in Grenzen. Der Reiz liegt die meiste Zeit über eher in der getreulich nachempfundenen Sixties- und Seventies-Deko und den mit Schlaghosen, Koteletten und getönten Brillen zeittypisch kostümierten Branchenfiguren.

Krisensitzungen am Tresen: Ruddy und seine gewiefte Sekretärin Bettye (Juno Temple).
Krisensitzungen am Tresen: Ruddy und seine gewiefte Sekretärin Bettye (Juno Temple). Paramount+

Vielleicht um dieser mangelnden inneren Spannung etwas entgegenzusetzen, wird dem Einfluss des italienischen Gangsterwesen arg viel Gewicht beigemessen. Schon Puzos Roman passte den "Fünf Familien", den großen Mafiaclans an der US-amerikanischen Ostküste, gar nicht, sie fürchteten um ihr Image. Der aufstrebende "Pate" Joe Colombo (Giovanni Ribisi), Gründer der Italian American Civil Rights League, wird damit beauftragt, die potenziell publikumsträchtige Verfilmung zu verhindern, doch die klischeehafte Art, wie Regisseur Dexter Fletcher ( "Rocketman") die Mafia-Hinterzimmer hier als sinistre Herrenrunden porträtiert ( "Hulk" Lou Ferrigno spielt einen der Handlanger), lässt im Zuschauer den Wunsch erwachsen, die Serie vielleicht aus- und stattdessen doch lieber noch mal den "Paten" einzuschalten, gerade weil es so überdeutlich wird, dass die Macher durch diesen Gangster-Nebenplot ein wenig echtes "Pate"-Flair in ihre Backstage-Serie hinüberkopieren wollten.

Ruddy muss also nicht nur gegen die Strukturen des Hollywood-Systems kämpfen, sondern auch gegen die Einmischung der Kriminalität. Und so werden die unkaputtbaren Anekdoten über Frank Sinatra, der sich angeblich in der Filmfigur des mafia-assoziierten Sängers Johnny Fontane wiedererkannte und in Hollywood deshalb mit Mario Puzo aneinandergeriet, ebenso bebildert wie die Story, dass der geplante Fontane-Darsteller Vic Damone, ein Las-Vegas-Sänger, (angeblich) auf Druck der Mafia wieder absagte, oder dass Robert Evans auf einem Hotelzimmerbetter eine (angeblich) von der Mafia dort deponierte tote Ratte vorfand, oder natürlich Ruddys Behauptung, dass auf ihn vor Drehbeginn Warnschüsse abgefeuert worden seien - vom Westküsten-Gangster Mickey Cohen, der, das zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher, damals allerdings im Knast saß.

Dunkle Gesellen in New Yorker Hinterzimmern: Mafioso Joe Colombo (Giovanni Ribisi) will den "Paten" verhindern.
Dunkle Gesellen in New Yorker Hinterzimmern: Mafioso Joe Colombo (Giovanni Ribisi) will den "Paten" verhindern. Paramount+

Derlei Ausschmückungen sind natürlich nichts Schlimmes - würde sich daraus eine originelle Erzählung ableiten, doch Tolkin tendiert dazu, aus Ruddys Erinnerungen nur das Alleroffenkundigste zu destillieren. Das fängt schon beim Serientitel an, der sich auf die berühmte Filmdialogzeile "I'm gonna make him an offer he can't refuse" bezieht, und endet nicht bei den übergriffigen Interpretationshilfen, die einem hier ständig zu "Der Pate" unterbreitet werden. Das sei ein Film über den American Dream, über Familien, übers Kochen. Ach so!

In diesem Boys' Club aus Erfolgsfritzen, die Dinge regeln, weil es halt Dinge zu regeln gibt, ist eigentlich kein Platz für nennenswerte weibliche Figuren; weil das aber anno 2022 schwer zu vermitteln wäre, wurden einige der "in zweiter Reihe" beteiligten Frauen in dieses Game mit einbezogen. So dürfen die wunderbare Juno Temple ( "Ted Lasso") als Ruddys Sekretärin Bettye, Nora Arnezeder als seine Freundin Françoise Glazer oder auch Stephanie Koenig als Castingdirektorin Andrea Eastman mit cleveren Sprüchen und weisen Einsichten so tun, als ob Paramount schon 1970 ein Tummelbecken vorbildlich emanzipierter Frauen gewesen sei.

Vielleicht klingt das alles negativer als beabsichtigt. Wer einfach Spaß am Anekdotischen haben möchte, wird von "The Offer" gut unterhalten, keine Frage. Die Produktionswerte sind sehr hoch, die Darsteller teils fantastisch. Dennoch bleibt die Frage bestehen, ob es ein bisschen weniger Selbstfeier und Selbstmythologisierung nicht auch getan hätte. Michael Tolkin hat vor 30 Jahren als Autor von Robert Altmans legendärer Branchensatire  "The Player" bewiesen, dass er mit großer Geschmeidigkeit durch die Eitelkeiten des Filmgeschäfts manövrieren kann - sein neues Werk kann damit aber schlicht nicht mithalten. Die "Pate"-Trilogie entwarf damals in dreimal zweieinhalb Stunden eine für immer unvergessliche Erzählwelt, "The Offer" wirkt dagegen wie ein szenisch nachgestelltes, gut besetztes und aufwendig produziertes Making-Of, das kaum relevanter erscheint als ein besseres Blu-ray-Bonusfeature.

Dieser Artikel beruht auf der Sichtung der ersten zwei Episoden der Miniserie "The Offer".

Meine Wertung: 3.0/5

"The Offer" feiert aktuell bei Paramount+ Premiere. Wann die Serie in Deutschland starten wird, ist bislang noch unbekannt.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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