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HBO-Neuauflage schickt Matthew Rhys durch eine fast klassische Film-Noir-Szenerie
Matthew Rhys als "Perry Mason"
HBO
TV-Kritik/Review: "Perry Mason": Der Anwalt ist jetzt Detektiv/HBO

Kein  "L.A. Law", kein  "Practice" und vermutlich auch kein  "Suits" hätte wohl so ausgesehen, wie es aussieht, hätte es zuvor nicht diese eine Serie gegeben, die schon unsere Großeltern geschaut haben:  "Perry Mason". Nachdem die Figur des wackeren Rechtsanwalts, der seine hoffnungslos verstrickten Klienten verlässlich aus der Patsche holt, erst in Kino und Radio aufgetaucht war, erreichte sie erst durch die legendäre CBS-Serie mit Raymond Burr ihren heutigen Ikonenstatus. Legendär sind die neun, zwischen 1957 und 1966 ausgestrahlten Schwarzweiß-Staffeln vor allem deshalb, weil sie die Formel des courtroom drama nahezu letztgültig etablierten: Die Regeln des Genres "Anwaltserie" gelten schließlich bis heute. Nach dem Ende der Serie wurde versucht, die Mason-Figur in anderen Projekten neu zu erfinden, doch dies ging schief - mit dem Ergebnis, dass der rüstige Burr in den Achtzigerjahren seine Rente vertagte, um seine berühmteste TV-Figur  weitere 26 Fernsehfilme lang zu verkörpern - nun in Farbe. Als Burr 1993 starb, war die Sache dann auch durch. Bis jetzt.

Eine Neuauflage von "Perry Mason" war tatsächlich schon ein paar Jahre lang im Gespräch, 2016 wurde sogar einige Monate lang gewispert, niemand Geringerer als  "True Detective"-Erfinder Nic Pizzolatto werde sich darum kümmern - mit  "Iron Man" Robert Downey Jr. in der Titelrolle! Das hätte man natürlich gern gesehen, doch zu all dem kam es nicht: Downey produziert die Serie zwar mit, die Titelrolle übernahm nun allerdings  "The Americans"-Star Matthew Rhys, und nach Pizzolattos Ausstieg entwickelten die  "Friday Night Lights"-Produzenten und  "Weeds"-Autoren Ron Fitzgerald und Rolin Jones das Projekt. Das Ergebnis ist sehr solide und mit Liebe gemacht - ohne sich allerdings zum ganz großen Must-See aufzuschwingen.

Das neue  "Perry Mason" - acht gut einstündige Episoden auf HBO - kann man als eine Art Prequel verstehen, oder besser noch als origin story. Erzählt wird, wie Mason zu dem Anwalt wird, der er in der alten Serie bereits war (obgleich Rhys heute fünf Jahre älter ist als Burr damals zu Beginn). Die Autoren machen sich dabei die karge Personenbeschreibung von Erle Stanley Gardner zunutze: Der US-Krimischriftsteller, auf dessen 82 Romanen (ab 1933 erschienen) ein Großteil der damaligen Drehbücher basierte, hatte seinen Helden mit relativ wenigen Charakterdetails versehen; er war als stets engagierter, immer dem Wahren und Guten zugetaner Strafverteidiger eher Projektionsfläche als psychologisch ausgelotete Figur. Von den Dämonen, die heutige Ermittler mit sich herumschleppen, war damals keine Rede - weshalb man "Perry Mason", das CBS-Original, auch bis heute noch gut mit der greisen Großtante beim Nachmittagstee schauen kann. Auch wenn's mal knapp wird: Das Gute siegt verlässlich.

Matthew Rhys ist "Perry Mason"
Matthew Rhys ist "Perry Mason" HBO

Im neuen "Perry Mason" wird diese Psychologisierung nun mit Eifer nachgeholt. Es geht dem Titelhelden eingangs, um es vorsichtig zu sagen, nicht so gut: Als abgewrackter Privatdetektiv jagt er da durchs Los Angeles der depressionsgeschüttelten Dreißigerjahre, um sich so etwas wie einen Lebensunterhalt zu verdienen. Er lebt in den Relikten einer alten Milchfarm, die mal seiner Familie gehörte - immerhin steht ein schönes Grammofon in seinem Wohnzimmer. Im Laufe der Pilotepisode werden weitere Details seines grenzgescheiterten Daseins bekannt: Seine Frau (Gretchen Mol,  "Boardwalk Empire") ist auf und davon, den neunjährigen Sohn hat sie mitgenommen. Seither säuft Perry, immer mehr Mahnungen liegen im Briefkasten, und ab der zweiten Folge wird in Rückblenden gar noch ein traumatischer Schuldkomplex aus dem Ersten Weltkrieg ins Feld geführt. Immerhin kommt die kraftvolle Doppeldeckerpilotin Lupe (Veronica Falcón aus  "Queen of the South") gelegentlich zum Schäferstündchen vorbei - was uns die lustigste Sexszene der jüngeren HBO-Geschichte beschert.

Regisseur Tim Van Patten (der viele  "Sopranos"- und "Boardwalk Empire"-Episoden hinter sich hat) inszeniert in der ersten halben Stunde um Mason herum einen erfreulich atmosphärischen Film Noir, der wesentlich mehr mit der klassischen Schwarzen Serie, mit Humphrey Bogarts Detektivfiguren Spade und Marlowe zu tun hat als mit dem "Perry Mason" unserer Erinnerung. Wie um das zu kommentieren, gibt es in den ersten HBO-Episoden auch nur eine einzige Gerichtssaalszene - in der bezeichnenderweise Mason selbst im Zeugenstand sitzt. Mit einer Krawatte, die er sich zuvor bei einer Leiche aus der Pathologie stibitzt hat.

Draußen in L.A. regnet es ausdauernd, fast wie in  "Blade Runner", während Mason als Privatdetektiv, gemeinsam mit seinem Assistenten Pete Strickland (darf in solchen Hut-und-Trenchcoat-Serien nie fehlen: Shea Whigham aus "Boardwalk Empire"), einem aufstrebenden Starlet hinterherschnüffelt, das sich nachts zu bizarrem Kürbiskuchen-Sex verabredet. Angesichts dessen, womit Mason es bald zu tun bekommt, ist das natürlich noch Peanuts - aber es zeigt sehr schön, in welchem Spannungsfeld des "alten" Los Angeles sich die Serie bewegt: irgendwo zwischen dem Hollywood-Glamour des damals noch frischen Studiosystems und der Armut in der Skid Row.

John Lithgow als Anwalt E. B. Jonathan
John Lithgow als Anwalt E. B. Jonathan HBO

Alsbald lässt sich Mason vom Anwalt E. B. Jonathan anheuern - der inzwischen 74-jährige John Lithgow ( "Hinterm Mond gleich links") spielt ihn und ist damit ein bisschen das, was Burr in den letzten Mason-Fernsehfilmen war. Jonathan vertritt Emily Dodson (Gayle Rankin aus  "GLOW"), die Mutter eines gekidnappten und dann tot (und mit offengenähten Augen!) aufgefundenen Babys - die nun, wie üblich in solchen Fällen, selbst unter Verdacht geraten ist. Mason und Strickland sollen für ihn in der Sache ermitteln. Zwei weitere alte "Perry Mason"-Bekannte werden im Zuge dessen in die Story reingeholt: Masons Sekretärin Della Street (die immer so etwas wie ein distanziertes Love Interest war) ist hier Jonathans selbstbewusste Assistentin - gespielt wird sie von Juliet Rylance aus  "The Knick". Und Paul Drake, der in der alten Serie die Privatdetektivsrolle innehatte, die Mason jetzt selbst einnimmt, ist jetzt ein schwarzer Officer, der unter dem Rassismus seiner korrupten weißen Kollegen zu leiden hat und schon in der zweiten Episode entscheidende Hinweise im Fall zutagefördert. Chris Chalk aus  "When They See Us" spielt ihn sehenswert.

Nebenher wird noch - kein Film Noir ohne Femme Fatale! - eine platinblonde Sektenpredigerin eingeführt, in deren "Radiant Assembly of God" nicht nur die Eltern des getöteten Babys und Jonathans Auftraggeber, der reiche Herman Baggerly (Robert Patrick,  "The Marine"), ein- und ausgehen, sondern auch Clark Gable. Wie Tatiana Maslany ( "Orphan Black") diese Sister Alice spielt, ebenso dynamisch wie undurchsichtig und eigensinnig, das ist ziemlich famos - dennoch läuft dieser Strang in den ersten Folgen merkwürdig neben dem Rest der Story her.

Tatiana Maslany als Sister Alice
Tatiana Maslany als Sister Alice HBO

Überhaupt ist der Kriminalfall selbst und die ihn umgebende "Mystery", auf den ersten Blick zumindest, eher ein Schwachpunkt dieser Neuauflage: Verglichen mit den Standards anderer HBO-Produktionen präsentiert sich das, was hier bislang an Spurensuche, bösen und guten Cops, zwielichtigen Anzugträgern und katzenliebenden Nachbarinnen zu sehen ist, doch eher unscheinbar. An "True Detective" sollte man es jedenfalls nicht messen - obgleich die Macher immer wieder grausige Gore-Szenen ins Geschehen streuen. Der greisen Großtante würde die Teetasse da sicher aus der Hand fallen.

Wie Regisseur Van Patten allerdings finstere, fast somnambule Nachtszenen mit gleißend hellen Sommerszenen aus einem verdächtig idyllischen Retro-Kalifornien mischt und dabei reale Schauplätze einflicht, das kann sich sehen lassen - und es hat sogar Mehrwert für Mason-Spezis: Die Angels-Flight-Standseilbahn, in der sich eine zentrale Szene abspielt, kam schon 1966 in der Episode "Der Fall mit dem schüchternen Schurken" vor. Der traumverlorene, trompetenlastige Jazz-Soundtrack von Spike Lees Stammkomponist Terence Blanchard passt ideal zu diesem stylishen Set-Up, auch das Produktionsdesign von John Goldsmith und die Kamera von David Franco muss man in diesem Zusammenhang unbedingt rühmen.

Die Besetzung ist zudem tadellos. Neben den Erwähnten seien noch Lili Taylor ( "American Crime") als Sister Alices Mutter, Stephen Root ( "Barry") als machtbewusster Staatsanwalt, Eric Lange ( "Unbelievable") und Andrew Howard ( "Hatfields & McCoys") als Polizisten mit Kriminalitätshintergrund, Mike O'Gorman ( "Vice Principals") als öliger Studio-Executive oder auch Hemky Madera ("Queen of the South") als Pförtner erwähnt - und das sind nur einige von vielen Charaktergesichtern, die hier vorbeischauen. Allen voran macht Matthew Rhys in der Titelrolle sehr viel her: Den abgerockten Säufer nimmt man ihm ebenso ab wie den coolen Dealmaker und findigen Schnüffler. Wie aus dieser Detektivfigur der Rechtsanwalt Perry Mason wird, dürfte das Spannendste an dieser ersten Staffel werden - dass man ihm, Rylance, Chalk und Lithgow auch in möglichen Folgestaffeln (mit im Idealfall etwas weniger gängigen Fällen) gern zusehen würde, das steht jedenfalls schon mal fest.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden von "Perry Mason".

Meine Wertung: 3.5/5

Die Weltpremiere der Serie in den USA findet seit dem 21. Juni auf HBO statt. In Deutschland wird Sky Atlantic HD die achtteilige Miniserie ab dem 31. Juli immer freitags ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen zeigen - wahlweise auf Deutsch oder im Originalton. Parallel stehen die Episoden dann auch bei Sky Ticket, Sky Go und über Sky Q auf Abruf bereit.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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