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TV-Kritik/Review: "Schatten der Mörder - Shadowplay": Serienkiller-Thriller mit Taylor Kitsch und Nina Hoss und zu viel Plattitüden

ZDF-Ko-Produktion um Max und Moritz in der Stadt der Ruinen
"Schatten der Mörder - Shadowplay": (v. l. n. r.) Moritz McLaughlin (Logan Marshall-Green), Elsie Garten (Nina Hoss), Max McLaughlin (Taylor Kitsch)
ZDF/Stanislav Honzik
TV-Kritik/Review: "Schatten der Mörder - Shadowplay": Serienkiller-Thriller mit Taylor Kitsch und Nina Hoss und zu viel Plattitüden/ZDF/Stanislav Honzik

Filme und Serien über Kriegszeiten gibt's jede Menge, über den Kalten Krieg ebenso und über die Zwischenkriegszeit ohnehin -  "Babylon Berlin" sei hier stellvertretend genannt. Über die unmittelbare Nachkriegszeit gibt es dagegen weit weniger zu sehen - da fallen einem höchstens die sogenannten Trümmerfilme von früher ein, die teils noch im echten Schutt der späten Vierzigerjahre gedreht wurden:  "Eine auswärtige Affäre" mit Marlene Dietrich,  "Deutschland im Jahre Null" von Roberto Rossellini oder Wolfgang Staudte  "Die Mörder sind unter uns".

Insofern war es keine schlechte Idee, was sich der schwedische  "Die Brücke"-Co-Autor Måns Mårlind da ausgedacht hat: eine Mischung aus Historienpanorama, Melodram und Mystery-Thriller, angesiedelt im Hitzesommer des Jahres 1946 in Berlin, dessen Ruinen und Trümmerberge auch ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur das Stadtbild bestimmen. Mårlind selbst inszenierte die acht Folgen (die das ZDF an vier Abenden jeweils im Doppelpack zeigt) mit seinem langjährigen Regiepartner Björn Stein, mit dem zusammen er schon die Serie  "Midnight Sun" und  "Underworld Awakening" drehte. Eines fällt zur Inszenierung sofort auf: Kein düster-monochromes Nachkriegsszenario gibt es hier zu sehen. Das gezeigte Berlin, obgleich in Schutt und Asche, ist nicht das trostlose Berlin, das man von Schwarzweißfotos kennt, im Gegenteil, tagsüber dominiert die Sommersonne, die Buntheit der Kleidung flanierender Frauen. Schon der australische Film  "Lore" inszenierte die Nachkriegszeit in derart sonnigem Kolorit - ein guter Kontrast zu den Hunger- und Chaos-Abgründen jener Zeit.

In dieses Berlin also reist zu Beginn der US-amerikanische Cop Max McLaughlin, mit Lederjacke, Hosenträgern, Fluppe und wohlgestylt unrasiertem Out-of-Bed-Look gespielt vom kanadischen Star Taylor Kitsch ( "Friday Night Lights",  "John Carter - Zwischen zwei Welten"). Kitsch selbst fungierte auch als Produzent dieser stargespickten kanadisch-deutschen Co-Produktion (die in Prag gedreht wurde, wie so viele Produktionen, die in der europäischen Vergangenheit spielen). McLaughlin hatte eine deutsche Mutter, wuchs als Polizistensohn in Brooklyn auf und ging selbst zur Polizei - jetzt soll er im zerstörten und in vier Sektoren aufgeteilten Berlin so etwas wie eine funktionsfähige Polizeieinheit aufbauen, während er zugleich darauf hofft, seinen im Krieg verschollenen Bruder, einen Soldaten, zu finden.

Max (Taylor Kitsch) versucht in Berlin, seinen Bruder Moritz ausfindig zu machen.
Max (Taylor Kitsch) versucht in Berlin, seinen Bruder Moritz ausfindig zu machen. ZDF/Stanislav Honzik.

In Schöneberg, Teil des US-amerikanischen Sektors, trifft er sogleich auf die patente Hauptkommissarin und studierte Semiologin Elsie Garten (Nina Hoss), deren Einheit vorwiegend aus Frauen (darunter Lena Dörrie aus  "Labaule & Erben") und Jugendlichen (darunter Maximilian Ehrenreich aus  "Ella Schön" als jüdischer Sohn von nach Auschwitz deportierten Eltern) besteht - bewaffnet nicht mit Pistolen, sondern mit Stuhlbeinen. Vogelscheuchen wird die Truppe genannt.

Kaum ist McLaughlin in Berlin angekommen, wo an jeder Ecke kopftuchtragende Trümmerfrauen ihr Werk tun (vor "Berlin baut auf"-Transparenten), wo frisch geputzte Fliegerbomben herumliegen und Einschusslöcher pittoreskes Gegenlicht gewähren lassen, wo Taxifahrer die unmoralischsten Verlockungen anpreisen (Für ne Büchse Bohnen kriegst du ne polnische Jungfrau!), geht's auch schon rund: Erst marodieren Russen durch die aufgrund der zerstörten Infrastruktur als "Verbrechenshauptstadt der Welt" geltende Stadt. Der garstig schnarrende General aus dem sowjetischen Sektor warnt Max mit abschätzigem Blick: Der Krieg ist nicht vorbei, nur in eine neue Phase getreten! Dann gerät Max an den sarkastischen US-amerikanischen Vizekonsul Tom Franklin (mit Schnurrbärtchen und Bulldogge:  "Dexter" Michael C. Hall), der in einer Zehlendorfer Villa im Grünen residiert und dem Cop seine sexuell umtriebige britische Gattin Claire (Tuppence Middleton,  "Sense8") anvertraut - die ihm natürlich den Kopf verdreht.

Bald schon gibt es in Gestalt grausam erschlagener GIs die nächsten Opfer zu beklagen: Wie die Zuschauer weit vor Max und Elsie erfahren, steckt Verbrecherkönig Gladow (Sebastian Koch,  "Das Leben der Anderen") dahinter. Der sogenannte "Engelmacher", ein Gynäkologe, bietet im britischen Sektor verzweifelten, infolge von Vergewaltigungen schwanger gewordenen Frauen eine kostenlose Abtreibung an, bindet sie dann aber an seine Untergrundorganisation und zwingt sie zu Prostitution, Drogenhandel, Mord. Eine von ihnen ist die desillusionierte Marianne (Anne Ratte-Polle,  "Es gilt das gesprochene Wort"), eine weitere die junge Karin (toll: Mala Emde aus  "Und morgen die ganze Welt"), an deren Beispiel die Wandlung von der unschuldig in Not geratenen Kellnerin zur moralfrei mordenden Jungganovin durchbuchstabiert werden soll: Selbst ihre Katze hält alsbald Abstand vor ihr ein.

Michael C. Hall als Tom Franklin in "Schatten der Mörder - Shadowplay"
Michael C. Hall als Tom Franklin in "Schatten der Mörder - Shadowplay" ZDF/Stanislav Honzik

Schließlich taucht noch Max' älterer Bruder Moritz (Logan Marshall-Green aus  "Deckname Quarry") aus dem Halbdunkel auf wie weiland Colonel Kurtz in  "Apocalypse Now". Mit Moritz verbindet Max ein schlimmes familiäres Trauma aus der Kindheit, jetzt befindet sich Moritz auf einem  "Inglourious Basterds"-mäßigen Rachetrip gegen Hitlers überlebende Schergen: Max soll eine alte Schuld begleichen und seinem Bruder dabei helfen, das "Nazi-Unkraut herauszurupfen".

Wie bitte: Max und Moritz? Ja, tatsächlich. Mårlind bezieht sich explizit auf Wilhelm Buschs berühmte Bildergeschichte von 1865, lässt die Zeichnungen sogar mysterylastig durch den Vorspann wabern. Angeblich war die Mutter der Brüder McLaughlin Fan dieser berühmten "Bubengeschichte", nun nimmt sich Moritz die sieben fiesen Streiche der frühen Comic-Helden als Vorbild für seine blutigen Racheaktionen: Schon in der ersten Doppelfolge baumelt eine Nazi-Familie am Holzbalken wie die vier bedauernswerten Hühner der Witwe Bolte im Apfelbaum.

Dieses war der erste Streich, und der zweite folgt sogleich: Der bekannte Busch'sche Reim als Überleitung von Sequenz zu Sequenz passt natürlich ideal zum seriellen Erzählprinzip eines Mehrteilers, und die Idee, Thrillermotive à la David Finchers  "Sieben" vor einem historischen Setting abspielen zu lassen, ist, wenn nicht brandneu, so doch immerhin reizvoll. Max und Elsie sind als Ermittler-Duo dabei ein ausreichend gegensätzliches Odd Couple, deren Gefrotzel für gute Buddy-Movie-Momente sorgen könnte: sie als hemdsärmelige Analystin mit unterschwelliger Angst vor der Rückkehr ihres möglicherweise kriegsversehrten Mannes (Benjamin Sadler spielt ihn, kommt aber eingangs noch nicht vor), er als Film-Noir-Ermittler, der in New York seinen zehnjährigen Sohn zurückließ. Von den zwei Beziehungen zu Frauen, die Max eingeht, der kumpeligen zur Kollegin Elsie und der erotisch aufgeladenen zu Claire, ist erstere eindeutig interessanter. Spannend gestalten sich auch die eingestreuten kurzen Szenen, in denen die Protagonisten zu sehen sind, wie sie solo direkt in die Kamera sprechen und Auskunft geben: An wen richtet sich ihre Rede? Aus welcher Situation heraus ist das gesprochen?

Max McLaughlin (Taylor Kitsch) an der Seite seiner Berliner Polizeikollegin Elsie Garten (Nina Hoss)
Max McLaughlin (Taylor Kitsch) an der Seite seiner Berliner Polizeikollegin Elsie Garten (Nina Hoss) ZDF/Stanislav Honzik

Leider sind das fast die einzigen formal herausstechenden Momente in  "Schatten der Mörder - Shadowplay". Ansonsten nämlich hält sich die durchaus unterhaltsame Produktion allzu sklavisch an die üblichen Erfordernisse formatierten Erzählfernsehens: Ein fast schon ZDF-typisches güldenes, wärmendes Licht legt sich sowohl nachts als auch tagsüber über die Szenerie, die CGI-Ruinen sehen aus wie aus einer  "Terra X"-Folge rübergebeamt, und immer wenn die Zuschauer sich selbst einen Reim auf das Gesehene machen könnten, hilft die Montage mit teils enervierenden Flashbacks nach, der sentimentalisierende Streichersoundtrack leistet Unterstützung bei der emotionalen Einordnung. Von herkömmlichen History-Filmen aus dem Abendprogramm unterscheidet sich da wenig, und auch wenn Mårlind in Interviews viel von der angestrebter Authentizität spricht (eh ein zweifelhafter Fetisch), so scheinen seine Bilder eher der Ästhetik herkömmlicher Historien-Fernsehfilme nachzueifern, als eine eigenständige Optik entwerfen zu wollen. Was auch für den Hang der Episoden zum Überdeutlichen gilt: Wenn verwahrloste Straßenkinder auftauchen, sind sie dekorativ schmutzgesichtig geschminkt, als wären sie soeben erst aus einem Bombenkrater gekrochen; nach einem Mord wird Hitlers Propaganda-Forderung Gebt mir vier Jahre Zeit und ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen ins Bild gerückt; und während die Amis allenfalls Spleens zu Markte tragen (wie Franklin), werden die Russen und ihre Stasi-artigen Zuträger wie Klischeefiguren aus Kalter-Kriegs-Kolportagen gezeichnet - original mit Stalin-Plakat an der Wand, Samowar auf dem Schreibtisch und Wodkaflasche zum nächtlichen Intrigengespräch.

Diese Plakativität berührt auch ein weiteres Problem, über das immer noch viel zu wenig gesprochen wird: die aus Sendersicht stets als alternativlos eingestufte Synchronisation solcher internationaler Co-Produktionen und die dabei zutage tretende Inkonsequenz. So toll die von gleich sechs Castern zusammengestellte Besetzung einzeln gesehen auch ist (aus Deutschland sind auch Martin Wuttke und Lena Urzendowsky mit prägnanten Kurzauftritten dabei), so wenig passt sie insgesamt zusammen. Nina Hoss, Mala Emde und Anne Ratte-Polle wurden, obgleich keine Berlinerinnen, dazu verdonnert, hemmungslos zu berlinern, was mal mehr, mal weniger überzeugt. Taylor Kitsch, Michael C. Hall und Logan Marshall-Green werden dagegen von markigen Sprechern in akzentfreiem Deutsch synchronisiert. Sie sprechen ausschließlich Deutsch, selbst wenn die Amerikaner miteinander sprechen. Zwar soll wohl Max' deutschstämmige Mutter beglaubigen, dass er Deutsch sprechen und verstehen kann, allerdings redet er nicht wie ein Ami in Berlin, sondern wie ein professioneller deutscher Sprecher. Die Russen wiederum sprechen allesamt mit Akzent und obendrein, wenn sie unter sich sind, Russisch (mit Untertiteln). Warum dieses willkürlich scheinende Vorgehen? Klarer Fall: An den Russen darf das "Fremde" sprachlich markiert werden, während die amerikanischen Figuren in der gleichen Sprache sprechen sollen wie ihre deutschen Kollegen (und, wichtiger, wie das zuhörende ZDF-Publikum). Im Streaming-Zeitalter international fluktuierender Serien verschiedener Sprachherkünfte wirkt all das nicht nur aus der Zeit gefallen, es zerstört auch inhaltlich jede Menge, weil es die Multilingualität und Vielstimmigkeit der besetzten Stadt Berlin wegbügelt: Wenn der US-Amerikaner Max etwa auf die Britin Claire trifft und es im Dialog um die Unterschiede dieser Herkünfte gerade im Verhältnis zu den Deutschen geht, beide Figuren aber dasselbe tadellose Synchronsprecherdeutsch sprechen, wird die Szene ad absurdum geführt. Hinzu kommt die auf Distanz haltende, artifizielle Tonspur, weil für dieses Vorgehen weite Teile nachsynchronisiert werden mussten - fast erschrickt man, wenn plötzlich eine Szene auftaucht, in der Sebastian Koch und Mala Emde im Originalton zu hören sind. Sofort ist zu merken, um wie viel lebendiger, intensiver das rüberkommt im Vergleich zu den vielen Szenen, in denen Taylor Kitsch mit der deutschen Stimme eines mannhaften Hardboiled-Gangsterjägers durch die Ruinen schleicht.

Gewiss, diese Kritikpunkte mögen sich erübrigen, sollte die Originalfassung mal auf Heimmedien greifbar sein - für die Ausstrahlungsform aber sind sie gültig.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten Doppelfolge von "Schatten der Mörder - Shadowplay".

Meine Wertung: 2.5/5

Das ZDF zeigt "Schatten der Mörder - Shadowplay" vom 30. Oktober bis 2. November täglich (die ersten beiden Doppelfolgen je ab 20.15 Uhr, die letzten beiden ab 22.15 Uhr). Ab 30. Oktober sind alle Folgen in der ZDFmediathek abrufbar.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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Leserkommentare

  • Blue7 schrieb am 29.10.2020, 17.35 Uhr:
    Nicht vergessen. In der ZDFmediathek ist die Serie im Gegensatz zur TV Version ungeschnitten mit allen 8 Folgen zu sehen.
  • Svenja T. schrieb am 31.10.2020, 19.39 Uhr:
    Ebenfalls nicht zu vergessen sei, daß es dort auch die Originale gibt, lies, alle Folgen in Englisch.
  • chrisquito schrieb via tvforen.de am 29.10.2020, 14.19 Uhr:
    Nina Hoss ist ja irgendwie auf diese Nachkriegsrollen abonniert