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TV-Kritik/Review: "Tilo Neumann und das Universum": Diese Stimme im Kopf zieht nicht nur Christoph Maria Herbst in ihren Bann

von Glenn Riedmeier
(05.07.2021/ursprünglich erschienen am 21.04.2021)
Neue TVNOW-Dramedy trifft die richtigen Töne
Christoph Maria Herbst ist Tilo Neumann
TVNOW/Martin Valentin Menke
TV-Kritik/Review: "Tilo Neumann und das Universum": Diese Stimme im Kopf zieht nicht nur Christoph Maria Herbst in ihren Bann/TVNOW/Martin Valentin Menke

Stell dir vor, du könntest den weiteren Verlauf deines eigenen Lebens und das Schicksal anderer Menschen gezielt selbst beeinflussen. Nach dem Motto: Wer sich selbstlos und hilfsbereit verhält, den belohnt das Universum mit lukrativen Gegenleistungen. Auf dieser im Kern zutiefst spirituellen Prämisse basiert die Serie  "Tilo Neumann und das Universum", die neueste Eigenproduktion des Streamingdienstes TVNOW, die heute Abend (5. Juli) bei VOX ihre Free-TV-Premiere feiert. Alle acht Folgen der ersten Staffel werden ab 20.15 Uhr am Stück gezeigt. Die Titelrolle verkörpert kein Geringerer als Christoph Maria Herbst, den die meisten wohl immer noch vorwiegend als Büroekel  "Stromberg" in Erinnerung haben. Auch hier handelt es sich um eine Serie mit knapp 23-minütigen Episoden über einen Verlierertypen, doch die Figuren Tilo Neumann und Bernd Stromberg haben nicht viel miteinander gemein.

Die Serie beginnt damit, dass Tilo Neumann - sichtlich betrübt - ein großes Gebäude verlässt, während im Hintergrund zynischerweise die Melodie des ABBA-Klassikers "The Winner Takes It All" erklingt. Er setzt sich auf eine Parkbank und wir hören seine Gedanken aus dem Off: Nicht fair. Abhauen, ja? Das ist deine Lösung. Einen Moment später bricht es aus ihm heraus. Er brüllt: Du lässt mich hier alleine? Fick dich!, während eine ältere Frau erschrocken mit ihrem Enkelkind vorbeigeht. Tilo bricht in Tränen aus - und versucht, seine Trauer in Alkohol zu ertränken. Serienschöpferin Sonja Schönemann, die die Drehbücher zu allen acht Folgen schrieb und auch als Creative Producerin fungiert, zog ihre Inspiration zur Serie aus einer vergleichbaren Begegnung: Auf der Berliner Friedrichstraße sah sie einen Mann, der lauthals Dinge erzählt hat. Bald gebe es einen Knall, danach sei alles vorbei.

Wie ist Tilo in diese Lage geraten?
Wie ist Tilo in diese Lage geraten? TVNOW/Network Movie Film- und Fernsehproduktion GmbH/Martin Valentin Menke

Wie also ist Tilo in diese missliche Lage geraten? Die Antwort darauf soll mit Hilfe eines altbekannten Stilmittels gegeben werden: Die Serie springt nach der Opening-Szene genau ein Jahr und elf Monate zurück in die Vergangenheit. Tilo Neumann arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium und die Handlung setzt am letzten Schultag vor den Ferien ein. Er stellt seinem "Deutsch-Lieblingsgrundkurs" eine pikante Frage: Was habt ihr bei mir gelernt, das wichtig ist im Leben? Kein Schüler meldet sich. Auch im Lehrerzimmer wird er weitgehend ignoriert, während sich nach und nach alle Kollegen in die Sommerferien verabschieden.

Auch in Tilos Privatleben läuft es alles andere als rosig. Seine Frau Jana (Christina Große,  "Das Institut - Oase des Scheiterns") hat sich von ihm getrennt und wohnt nun mit einem jungen Esoterik-Guru und Influencer namens Swen zusammen. Dies erfährt Tilo per Handy-Textnachricht von seinem besten Freund Siggi, die bildfüllend eingeblendet wird. Es bricht aus ihm heraus: Die Wurst [also der Guru] liegt in meinem Bett?! Das ist zu viel für Tilo. Zu Hause ertränkt er seinen Frust mit Alkohol und betäubt sich mit Drogen. Er fordert seinen sprachgesteuerten Assistenten auf: Spiel Musik für den Weltuntergang. Er betrinkt sich und bereitet sich auf das Ende vor. Im Zeitraffer zieht nun in blitzschnellen Bildern Tilos Leben an unseren Augen vorbei: die Gründung seiner Familie, die Abwendung seiner Tochter, das Fremdgehen seiner Frau - und immer wieder Tilos Griff zur Flasche, der zu einer alkoholisierten Autofahrt und einem Krankenhausaufenthalt führt.

Tilo ertränkt seinen Frust in Alkohol.
Tilo ertränkt seinen Frust in Alkohol. TVNOW/Martin Valentin Menke

Szenenwechsel: Nach seinem Totalabsturz findet sich Tilo an einem weißen, völlig menschenleeren Ort wieder. Ist er im Himmel? Plötzlich hört er eine weibliche Stimme (jene von Elena Uhlig), die seinen Namen ruft (Tiiiiiiloooo Neumann!!) und ihn kurz darauf auf ziemlich saloppe Weise anspricht: Hey Tilo, du Idiot. Was soll'n das werden? Willst du dich umbringen? Hallo? Weißt du was? Selbstmord gilt nicht! Ich mein: Kannst du machen, aber dann fängst du komplett wieder von vorn an. Die Stimme (nur wir wissen: die Stimme des Universums) teilt ihm mit, dass er ab sofort eine Aufgabe im Leben habe: Du hilfst Menschen. Das ist positiv, das macht glücklich! In der Zeit, in der du Menschen hilfst, kannst du nicht anderweitig Scheiße bauen. Dann schlägt sie ihm einen Deal vor: Für jeden Menschen, dem du hilfst, helfe ich dir. Tilo willigt ein. Was hat er schließlich noch zu verlieren? Kurz darauf findet er sich verkatert in seiner Wohnung wieder.

Er nimmt eine Aspirin und schaut aus dem Fenster, wo er einen Obdachlosen sieht. Im Radio läuft ein bekannter Oldie von Cock Robin. Bei der Songzeile Remember the promise you made wird die Lautstärke von Geisterhand nach oben gedreht. Derart exzellent ausgewählte Musikeinsätze sind - neben Tilos Gedanken, die wir ebenfalls als Stimme aus dem Off hören - ein wiederkehrendes Stilmittel in der Serie. Als Tilo zunächst noch zögert, meldet sich plötzlich die weibliche Stimme wieder in seinem Kopf: Der Mann da draußen hat doch wohl mehr als deutlich deine Hilfe gebraucht! Wie deutlich brauchst du's eigentlich noch? Tilo glaubt, dass er wahnsinnig geworden ist und übergibt sich erst mal in die Toilette. Währenddessen kämpft seine eigene Stimme im Kopf mit der des Universums, die einfach nicht weggehen will!

Tilo hört plötzlich mehr als nur seine eigene Stimme im Kopf.
Tilo hört plötzlich mehr als nur seine eigene Stimme im Kopf. TVNOW/Martin Rottenkolber

Er geht schließlich nach draußen zu dem Obdachlosen und hilft ihm dabei, dessen umgestürzten Einkaufswagen wieder aufzustellen - mehr nicht. Unmittelbar danach klingelt Tilos Telefon. Am anderen Ende der Leitung wird ihm mitgeteilt, dass er der Gewinner von 8.900 Euro ist - und das, obwohl er in dem Gewinnspiel gar nicht mitgemacht hat. So langsam dämmert Tilo, welche neuen Möglichkeiten sich durch den unverhofften Deal mit der Stimme eröffnen. Doch er muss erst lernen, was wirklich eine gute Tat ist und was nicht. Als er etwa dem Obdachlosen kurzerhand seinen gesamten Alkoholvorrat schenkt - in der Hoffnung auf eine Belohnung - wird er von der Stimme gemaßregelt, dass das keine Hilfe war.

Durch die ständige Beobachtung der Stimme in seinem Kopf fühlt sich Tilo regelrecht verfolgt. Sie wird zu seinem ständigen Begleiter und gibt ihm Ratschläge, wie er sich in bestimmten Situationen verhalten soll. Eine gewaltige Herausforderung für jemanden wie ihn, der Probleme bisher ausgesessen oder weggesoffen hatte - etwa, als er zu seiner Ex-Frau Jana fährt und vor Ort deren neuem Guru-Freund Swen (Mirco Kreibich) begegnet. Tilos Tochter Alice (Hannah Schiller,  "Phoenixsee") gibt ihm die Alleinschuld am Scheitern der Ehe und bittet ihn, in nächster Zeit nicht mehr vorbeizuschauen und sie und ihre Mutter in Ruhe zu lassen.

Alice (Hannah Schiller) will ihren Vater Tilo nicht mehr sehen.
Alice (Hannah Schiller) will ihren Vater Tilo nicht mehr sehen. TVNOW/Martin Rottenkolber

Nicht immer hält sich Tilo an die Ratschläge der Stimme, die zudem über ein äußerst klamaukiges Gemüt verfügt. Sie kann sich zu jeder Zeit zu Wort melden und tut dies auch in den unpassendsten Momenten - etwa als Tilo im Stehen pinkelt. Als er sich daraufhin erschrickt und die Toilette verfehlt, amüsiert sich die Stimme wahnsinnig darüber. Tilo fordert von ihr, seine Privatsphäre zu respektieren und ihm nicht mehr mit ins Bad zu folgen. Nach wie vor zieht er in Betracht, dass es sich bei der Stimme in seinem Kopf um Halluzinationen als Folge seines Drogenkonsums handeln könnte. Schließlich sucht er sich professionelle Hilfe bei einer Psychotherapeutin. Die Frage, wie lange das jetzt so weitergehen soll, stellt er auch der Stimme. Als Antwort erhält er, dass es genau ein Jahr und elf Monate dauert, bis alles wieder gut ist. Wenn du ab sofort auf deinem Weg bleibst.

Inspirationsquellen für die Serie dürften Klassiker wie  "Ein Engel auf Erden" oder auch  "Ist das Leben nicht schön?" sein. Nachdem die Ausgangssituation in einem rasanten Tempo etabliert wurde, plätschert die nachfolgende Handlung ab der zweiten Folge etwas vor sich hin. Tilo und die Stimme beginnen, eine kuriose Beziehung miteinander zu führen, die in manchen Momenten gar an  "Meister Eder und sein Pumuckl" erinnert. Denn auch Tilo kommuniziert mit einer unsichtbaren Person, von deren Existenz nur er weiß, während sein Umfeld, wie sein langjähriger Kumpel und Saufkumpan Siggi (Ronald Kukulies,  "Rampensau"), ihn mehr und mehr für verrückt erklärt. Elena Uhlig spricht die Stimme mit einer derart liebenswürdigen Rotzigkeit, dass es eine wahre Freude ist, und verleiht ihr dadurch einen eigenständigen Charakter und eine Persönlichkeit - und das, obwohl sie nie zu sehen ist. Christoph Maria Herbsts Darstellung des an sich zweifelnden Pechvogels und Antihelden Tilo Neumann ist meisterlich, nahbar und bietet für die Zuschauer hohes Identifikationspotenzial.

Christoph Maria Herbst beeindruckt mit seiner Darstellung des Tilo Neumann.
Christoph Maria Herbst beeindruckt mit seiner Darstellung des Tilo Neumann. TVNOW/Martin Valentin Menke

Die Serie arbeitet regelmäßig mit Rückblenden, die etwas plump mit Text-Einblendungen eingeführt werden, damit auch jeder versteht, auf welcher Zeitebene man sich gerade befindet. Darüber hinaus wird die tatsächliche Handlung zwischendurch unterbrochen und zurückgespult, um in einer alternativen Story zu zeigen, welche dramatischen Dinge sich ereignet hätten, wenn Tilo einer bestimmten Person nicht geholfen hätte. Auch der kunstvolle, nie zufällig ausgewählte Soundtrack mit Textzeilen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Tilos Geschichte stehen, ist ein großer Pluspunkt. Geschickt gelang es Sonja Schönemann, ihre erkennbare Vorliebe für Oldies von Pink Floyd, Van Halen, Queen, U2 und Fury in the Slaughterhouse in die Handlung einzubauen. Solche stilistischen Kniffe sind originell und heben die Serie vom Einheitsbrei ab.

Die in Köln gedrehte Dramedy ist gespickt mit reichlich albernen Momenten, sie schlägt allerdings auch ernste Töne an - etwa, als Tilo in der dritten Folge einen Mann zur Beerdigung von dessen verstorbener Frau begleitet und sich dabei mit einem erschütternden Erlebnis aus seiner eigenen Kindheit auseinandersetzen muss. Dieser Spagat zwischen Tragik und Komik gelingt erstaunlich gut und macht Lust auf mehr, zumal sich mit jeder Folge weitere Puzzleteile aus Tilos Leben und Vergangenheit zusammenfügen. Mit "Tilo Neumann und das Universum" ist Showrunnerin Sonja Schönemann ( "Merz gegen Merz",  "Rentnercops") und Regisseur Julian Pörksen ( "Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers") ein Volltreffer gelungen, der hoffentlich noch lange nicht auserzählt ist.

Meine Wertung: 4/5

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Tilo Neumann und das Universum".

Die komplette achtteilige Staffel ist seit dem 22. April im Premiumbereich des Streamingdienstes TVNOW verfügbar. Die lineare Free-TV-Premiere aller acht Folgen am Stück ist am 5. Juli ab 20.15 Uhr beim Partnersender VOX zu sehen.


 

Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang '85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. "Bim Bam Bino", "Vampy" und der "Li-La-Launebär" waren ständige Begleiter zwischen den "Schlümpfen", "Familie Feuerstein" und "Bugs Bunny". Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. "Ruck Zuck" oder "Kaum zu glauben!". Auch für Realityshows wie den Klassiker "Big Brother" hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie "Die Harald Schmidt Show" und "PussyTerror TV", hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie "Eine schrecklich nette Familie" und "Roseanne", aber auch schräge Mysteryserien wie "Twin Peaks" und "Orphan Black". Seit Anfang 2013 ist er bei TV Wunschliste vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

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Leserkommentare

  • mork.vom.ork schrieb am 05.07.2021, 23.28 Uhr:
    Ich fand diese Serie eher öde. Selbst wenn es eine Fortsetzung geben sollte, werde ich diese sicher nicht mehr schauen.
  • Gordy schrieb am 23.04.2021, 21.33 Uhr:
    Sehr geniale Serie, in einem Rutsch geschaut. Hätte gerne weiter geschaut, hoffentlich gibt es eine 2. Staffel, denn es ist ja noch nicht alles aufgelöst worden. Bitte!!!