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Ungelenke Space-Travel-Story mit Splatter-Elementen nach George R. R. Martin
"Nightflyers"
Syfy
TV-Kritik/Review: "Nightflyers": Abgestandene Dialoge in beeindruckender Raumschiff-Kulisse/Syfy

In der allerersten Szene von  "Nightflyers" sehen wir die Psychologin Dr. Agatha Matheson panisch durch das Labor eines Raumschiffs hasten und eine Audiobotschaft aufnehmen ("Kein Hilferuf! Eine Warnung!"). Dann wird sie von einem Crew-Mitglied, dem Xenobiologen Rowan, der, offenbar einem Wahn anheimgefallen, mit dem Hackebeilchen hinter ihr herjagt wie weiland Jack Nicholson in  "Shining". Bevor er die Ärztin erwischt, schlitzt sie sich lieber selbst die Kehle auf. Blut spritzt. Vorspann!

Diese Eröffnung wird all jene, die die beiden Schauspieler nicht erkennen, vor allem die Richtung des zu Erwartenden anzeigen: Science Fiction und Horror. Wer allerdings Gretchen Mol ( "Boardwalk Empire") als Dr. Matheson und Angus Sampson ( "Fargo") als Rowan identifiziert und deren Namen direkt danach prominent im Vorspann platziert sieht, der weiß: Oha, hier steht das Ende am Anfang. Was immer auch passieren wird in dieser Serie: Gut dürfte es nicht enden.

Dieses narrative Vorgehen ist ein wenig origineller Move, um alles, was im Folgenden erzählt wird, unter das Vorzeichen größtmöglichen Verhängnisses zu stellen - man meint dahinter die radikale Maßnahme der Produzenten zu erkennen, denen der Rohschnitt zu lau war und die deshalb lieber mit viel doom and gloom starten, um die Fallhöhe anzuheben. Und tatsächlich: Die ersten beiden Folgen von "Nightflyers" lassen gleich mehrere Taktiken erkennen, mit denen das zwar beachtlich flott voranschreitende, dabei aber selten aufregende Szenario auf Spektakel gepimpt werden soll. Die laut fauchende, trommelnde, dröhnende, krächzende Tonspur mit dem heutzutage im Sci-Fi-Spannungskino offenbar unvermeidlichen "Brääm"-Trompeten im Dauereinsatz ist nur eine davon.

Gretchen Mol als Dr. Agatha Matheson inmitten von Erste-Hilfe-Materialien und Blut
Gretchen Mol als Dr. Agatha Matheson inmitten von Erste-Hilfe-Materialien und Blut

Besonders deutlich lässt der auf derlei Space-Geschepper spezialisierte Kabelkanal Syfy darauf hinweisen, dass "Nightflyers" auf einer frühen (1980 erschienenen) Novelle des  "Game of Thrones"-Vorlagengebers George R. R. Martin basiert. Mit der Welt der epochal erfolgreichen HBO-Serie hat diese Geschichte indes herzlich wenig zu tun, auch wirkte Martin selbst an der Gestaltung der zehn Episoden in keiner Weise mit (er ist qua Kontakt exklusiv an HBO gebunden), doch für eine Erwähnung als Executive Producer reicht es ebenso wie für einen Status als Aufhänger der gesamten Werbekampagne. Immerhin gibt Autor Jeff Buhler, der die Serie für Syfy entwickelte, an, er habe sich beim Schreiben auch auf die bereits existierende  Verfilmung von 1987 gestützt - einen vergessenswerten B-Film, der in deutschsprachigen Ländern nie ins Kino kam, an dessen Drehbuch Martin aber höchstselbst mitwirkte.

Mehr muss zu Martin aber nicht gesagt werden. "Nightflyers" ist SF-Horror klassischer Manier, eine Space-Travel-Story, wie Syfy sie in den letzten Jahren schon mehrfach im Programm hatte ( "The Expanse",  "Helix"), aufgepeppt mit Gore- und Psychogrusel-Elementen, die von  "Alien" bis  "Event Horizon" jede Menge Filme anzitieren, die sich an dieser Mischung schon deutlich gewinnbringender versucht haben.

Angesiedelt ist der Plot im Jahr 2093, in einer Zeit, in der die Menschheit auf Erden rapide einer nicht näher beschriebenen Krankheit zum Opfer fällt und fieberhaft nach einem Ausweg sucht. Protagonist Karl D'Branin, eher blässlich gespielt vom Dressman-haften Eoin Macken ( "The Forest") ist ein offenbar genialer Astrophysiker, der irgendwo im All, jenseits einer Void genannten Space-Leere, das Raumschiff einer fremden Lebensform entdeckt hat. Diese Aliens, Volcryns genannt, verweigern bisher jeden Kontakt, weshalb D'Branin nun beauftragt wird, eine Crew zusammenzustellen, die im gigantischen Raumschiff "The Nightflyer" den Volcryns entgegenfliegen und dann dort zu ihnen Kontakt aufnehmen soll - zwecks möglicher Kolonisation. Oder so.

So ganz durchschaubar sind die Hintergründe dieser Mission (noch) nicht, wie dies wohl ganz generell keine Serie sein dürfte, bei denen die Pfennigfuchser, Realismus-Obsessiven und Hobby-Ingenieure unter den Sci-Fi-Fans auf ihre Kosten kommen. Hier scheinen Gesetze mal zu gelten, mal nicht, mal spielt Schwerkraft eine Rolle, mal nicht, viele Figuren verhalten sich seltsam, nur um von den Autoren dadurch in gefährliche Situationen manövriert werden zu können, und obgleich viele der Protagonisten wissenschaftliche Koryphäen und Elitesoldaten darstellen sollen (wen sonst würde man mit solch einer wichtigen Mission betrauen), missachten sie in einem fort noch die basalsten Regeln wissenschaftlichen wie sicherheitstechnischen Verhaltens. Sei's drum - man könnte über diesen B-Film-Nonsens hinwegsehen, wäre der Horrorpart der Serie wirklich zum Fürchten, könnte man sich wirklich um die Figuren scheren, flögen einem coole Dialoge um die Ohren. Doch all dies bleibt im Konjunktiv.

Ein weiterer Hauptdarsteller von "Nightflyers": Die aufwendige Schiffskulisse
Ein weiterer Hauptdarsteller von "Nightflyers": Die aufwendige Schiffskulisse

In der vom geschätzten Sci-Fi-Regisseur Matt Cahill ( "Another Earth") durchaus kompetent inszenierten Pilotepisode geht es vor allem darum, die Crew vorzustellen: Neben Karl gehören die eingangs erwähnten Dr. Matheson und Rowan dazu. Matheson war mal mit D'Branin liiert, der zauselbärtige Rowan läuft stets in einem bollerigen grünen Cardigan durch die metallic-kalten Raumschiffgänge. Captain Roy Eris (David Ajala,  "Falling Water") zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er sich nur als Hologramm materialisiert, ansonsten als unsichtbarer Voyeur die anderen Crewmitglieder beobachtet und Monologe hält - mit dem stechenden Blick und in den steifen Sentenzen eines halbguten Knattermimen von der Shakespeare-Freilichtbühne. Sein Adlatus, der leitende Schiffsingenieur Auggie (Brían F. O'Byrne,  "Aquarius"), wird als streng und kompetent und minimal undurchsichtig eingeführt. Außerdem an Bord: die genetisch hochgezüchtete Programmiererin Melantha Jhirl (Jodie Turner-Smith,  "The Last Ship") und die androgyne Lommie (Maya Eshet,  "Teen Wolf"), die per Neural-Port mit dem Schiff kommuniziert, eine fragwürdige Vergangenheit hat und schon in Folge eins mit Melantha knutschen darf. Sie ist die einzige Figur, von der man gerne mehr wissen würde.

Als wohlfeiles Mittel, um das schon durch die Eingangsszene heraufbeschworene Bedrohungsgefühl im Raumschiff nicht nur von außen, sondern eben auch von innen aufrechterhalten zu können, wird eine Person von Hannibal-Lecterscher Psychogewalt an Bord geschafft: der "L1"-Telepath Thale, der mit seiner Gedankenkraft schon viele Opfer hinterlassen hat, von seiner Mentorin Dr. Matheson und Expeditionsleiter D'Branin aber als unerlässlich für die Kontaktaufnahme mit den Aliens eingestuft wird. Es gehört zu den wenigen wirklich originellen Einfällen von "Nightflyers", diesen Thale nicht als kultiviert-genialischen Erzbösewicht zu inszenieren, sondern als tumben Londoner Tunichtgut- entsprechend wird er, in breitestem Cockney, von Sam Strike gespielt, der jahrelang in der Dauerbrenner-Soap  "EastEnders" dabei war.

Miranda Raison als Tessia und Sam Strike als Thale in "Nightflyers"
Miranda Raison als Tessia und Sam Strike als Thale in "Nightflyers"

Was passiert: Schon beim Start des "Nightflyer" kommt es zu einer Fehlzündung, an Bord häufen sich Halluzinationen. Dafür wird erst mal Thale verantwortlich gemacht. Bald aber schon muss man annehmen, dass noch andere Kräfte (außerirdische?) unheilvoll wirken. D'Branin zum Beispiel wird vom Geist seiner Tochter (Bronte Carmichael aus "Christopher Robin") verfolgt, was mehr als einmal an Klassiker wie  "Solaris" und "Shining" denken lässt. Andere Crewmitglieder sprechen plötzlich in Zungen, und was hat Captain Eris zu verbergen? Irgendwann verschwindet ein spinnenartiger Krabbelroboter mit todbringenden Lasern in den weiträumigen Katakomben des Raumschiffs, und dann schwebt plötzlich  "Spooks"-Star Miranda Raison durch die Szenen - umgeben von einem Bienenschwarm. Warum? No clue.

Was ganz gut ist: Das Design und die Inszenierung des Raumschiffes kann sich sehen lassen. Das riesige Kuppelgewächshaus, in dem ein ganzer Wald untergebracht ist, die riesigen rotierenden (an  "2001" erinnernden) Gangsysteme oder die Kamerafahrten, die das Raumschiffmodell erst stolz umkreisen, um dann durch die Fenster in den Innenraum einzudringen - das macht was her. Auch die Arbeit mit visuellen und narrativen glitches sorgt effektiv für Unbehaglichkeit, etwa wenn D'Branins auf Erden verbliebene Frau Joy (Zoë Tapper,  "Liar") beim Video-Chat optisch und akustisch "zerfließt", oder wenn man erst spät erfährt, dass eine liebevolle Familienszene bloß als Virtual Reality in einer laserzapfenbesetzten "Memory"-Kammer nachgestellt war, oder erst sukzessive durchsickert, dass D'Branins Tochter zu den von der Krankheit dahingerafften Menschen zählt.

Der Rest ist leider wirklich nicht gut. Sowohl Dialoge als auch Standardsituationen sind größtenteils schal und abgestanden: Wenn etwa fünfmal darauf hingewiesen wird, das etwas "schon gutgehen" werde, muss man natürlich nicht lang warten, bis es zur Katastrophe kommt. Wenn eine Figur mit Sauerstoffmaske in einen Wassertank steigt, dauert es keine zehn Sekunden, bis das Unheil seinen Lauf nimmt. Dass keine rechte Spannung aufkommt, liegt daran, dass Buhler den Figuren kaum relevante Backstorys verleiht und sie dem Zuschauer meistens komplett gleichgültig bleiben. Möglicherweise wird davon in späteren Folgen noch etwas nachgeliefert, doch selbst wenn, bliebe damit viel Potenzial verschenkt - denn "Nightflyers" geht ab der ersten Folge in die Vollen und versetzt alle Figuren permanent in Lebensgefahr, ohne sich die Empathie der Zuschauer gesichert zu haben. Da kann dann noch so viel Wachpersonal in zwei Teile zerlasert werden: Man zuckt nur mit den Achseln.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei Folgen von "Nightflyers".

Meine Wertung: 2.5/5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Syfy

In den USA hat der Sender Syfy die Serie "Nightflyers" im Dezember 2018 ausgestrahlt. Die Rechte für Deutschland hält Netflix, hier wurde aber noch kein Veröffentlichungsdatum angekündigt.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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