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TV-Kritik/Review: "Ratched": Mit dem Eispickel durch den Frontallappen

(22.09.2020)

Die Eröffnungssequenz von
Die Probleme fangen schon beim Titel an: Mildred Ratched (im Englischen klingt "ratched" phonetisch ähnlich zu "rat shit" = Rattenscheiße) ist die sadistisch strenge Oberschwester einer psychiatrischen Klinik in Nordkalifornien, sowohl in Ken Keseys (noch heute lesenswerter) Buchvorlage "Einer flog über das Kuckucksnest" von 1962, als auch in deren berühmter Verfilmung von 1975. Auf welcher Version der Figur aber beruht diese Serie, die Ratcheds Vorgeschichte erzählt? Auf der Buch-Mildred oder auf der oscargekrönten Interpretation durch Louise Fletcher im Film? Man weiß es nicht so genau. Ryan Murphys Muse (und AHS-Stammgast) Sarah Paulson ist heute jedenfalls fünf Jahre älter, als es Fletcher damals war, dennoch spielt die Serie (Ende der Vierziger) gut fünfzehn Jahre vor den Ereignissen von Buch und Film (Anfang der Sechziger). Normalerweise wäre das nur für Erbsenzähler ein Problem, doch "Ratched" verortet sich durch eingeblendete Jahreszahlen und akribisches Setdesign so deutlich in Zeit und Raum, dass diese Dinge unstimmig wirken. Dem entgegenhalten muss man, dass Murphy (der die ersten beiden Episoden höchstselbst inszenierte) etwas ganz Eigenes daraus macht - das typische Murphy-Ding eben, wie es nicht nur in den AHS-Staffeln zu erleben war, sondern zuletzt etwa auch in der Traumfabrik-Alternativgeschichtsschreibung
In der Pilotfolge heuert Mildred Ratched im Lucia State Hospital als neue Schwester an. Eine Stellenausschreibung hat es zwar nicht gegeben, aber durch Tricks und Intrigen ergaunert sie sich den Job eigenhändig, sehr zum Ärger der Kollegin Nurse Betsy Bucket (Judy Davis, die Königin des 90er-Jahre-Indiefilms von

Der nämlich will die Psychiatrie mit dem Motto korrigieren statt bestrafen
revolutionieren und seinem Institut neue Fördergelder zuschanzen, da wäre es schlecht, wenn der zuständige Gouverneur (Vincent D'Onofrio,
Natürlich hat Ratched einen Grund, warum sie sich im Lucia State Hospital einstellen lässt. Edmund Tolleson, der von der Sensationspresse "Clergy Killer" getaufte Mörder aus der Eröffnungssequenz, ist ihr Bruder und soll für vier Monate in Hanovers Klinik eingeliefert werden. Und nur, wenn der Doktor nachweisen kann, dass Edmund "heilbar" ist, könnte diesem die Todesstrafe erspart bleiben. Welchen Plan Ratched verfolgt, ist allerdings noch nicht klar; erst einmal gerät sie an Gwendolyn Briggs (Cynthia Nixon,

Murphy inszeniert das weder als realistischen Thriller noch als grelle Satire, sondern als einigermaßen sonderbare Mischform. Langweilig ist das keine Spur, mitunter wird es sogar spektakulär, doch ein rundes Ganzes wird nie daraus. So bedient sich Murphy etwa auf sehr kunstfertige Weise der Film-Noir-Ästhetik der Vierziger und Fünfziger, zaubert diese Zeit vom geschliffenen Whiskey-Tumbler bis in die letzten Details von Mode und Frisuren authentisch nach und gewährt durchaus beklemmende, an Michel Foucault geschulte Einblicke ins psychiatrische Unterdrückungssystem mit ihrer Beruhigungsspritzenbrutalität - wenn etwa ein paar hoffnungsfrohe Patienten (darunter Joseph Marcell aus

Und dann ist da, inmitten dieses Zuviels an Style und Chic, noch Sarah Paulson, fraglos eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation, die als Ratched absolut faszinierend ist - aber eben nicht weiß, was für eine Figur sie da nun eigentlich genau spielen soll: eine kolportagehafte Horrorhexe, die mit dem Eispickel zu Werke geht oder eine realistisch lesbare, tragische Person? Die Psychologie, auf die Murphy und Romansky im Fall der Geschwister Mildred/Edmund hinauswollen, kommt zumindest auf den ersten Metern äußerst dürftig daher. Es zeigt sich das "Joker"- Problem: die krampfhafte Psychologisierung ikonischer Figuren. So wie der jüngste
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Ratched".
Die erste Staffel von "Ratched" ist weltweit bei Netflix abrufbar und umfasst acht Episoden. Eine zweite Staffel war seinerzeit direkt mit der Serienbestellung beauftragt worden.
Über den Autor
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Leserkommentare
Plumpaquatsch schrieb via tvforen.de am 23.09.2020, 17.41 Uhr:
"Mit dem Eispickel durch den Frontallappen" nennt sich Lobotomie - war in den 50ern eine gängige Prozedur zum Behandeln von schweren Geistesstörungen. Gut, ist sicher nicht jedermanns Sache, mit einem Metallpiekser durch die Augenhöhle ins Gehirn vorzudringen und dort etwas herumzustochern - aber ist immer noch die einfachste Methode, ins Gehirn zu kommen, ohne den Schädel aufzusägen.Fragt mal Teddy Daniels (oder sollte ich besser Andrew Laeddis sagen) zu dem Thema... :-)
User_389305 schrieb am 23.09.2020, 16.38 Uhr:
Ich habe die Staffel komplett gesehen und finde sie überaus verstörend. Eigentlich frage ich mich, warum ich sie Ende geschaut habe. Ist so gar nicht meins. Der ständige Wechsel zwischen widerlichen Brutalszenen und absoluten Kitschbildern macht einen völlig kirre.
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