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TV-Kritik/Review: "Deutsches Haus" ist eine der besten Historienserien!

(14.11.2023)

Eva Bruhns (Katharina Stark) hat bislang wenig über Nazis und ihre Verbrechen gegrübelt. 1963 kann die junge Dolmetscherin das Grauen nicht mehr verdrängen, als sie polnische Zeugenaussagen beim ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess übersetzt.
Frankfurter Auschwitz-Prozess beeinflusst sämtliche Beteiligte
Ich hatte überhaupt keine Schuld
Kurz vor Weihnachten zittert Eva Bruhns im leichten Schneegestöber. Vor der Wohnung und dem elterlichen Lokal "Deutsches Haus" erwartet sie ihren Liebsten, um ihn daheim vorzustellen. Unterdessen wird ein Mann am Flughafen abgeholt. Aber der Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft versteht kein Wort des angereisten Polen. Auf der Straße begrüßt Jürgen Schoormann (Thomas Prenn) nervös seine Auserwählte. Später bimmelt unermüdlich das Telefon bei Gänsebraten und Rotwein. Derweil speist auch eine andere Familie - hinter Gittern, weil der Vater in Untersuchungshaft sitzt. Wenn der Prozess zügig über die Bühne geht, bin ich in sechs Wochen wieder zu Hause
, erwartet der unverbesserliche Nazi Wilhelm Boger eine goldene Zukunft. Ein Trinkspruch ertönt: Also wo wir sind, ist oben!
Sorgen bereitet eine Tochter, die Vaters Auto beschädigt hat. Ich hatte überhaupt keine Schuld
, rechtfertigt das Mädchen jedes Vergehen wie andere Deutsche nach Kriegsende.
Evas Job wird Leben der Familie umkrempeln
Beim Abwasch motzt Evas Mutti über Jürgen, dass er etwas verberge. Die künftige Braut erklärt seine kleinen Fehler mit Sorgen über den erkrankten Vater Walther. Symbolisch für die Ereignisse plagt Demenz den Chef eines Versandhauses. Im Gegensatz zu den meisten Deutschen verliert er unfreiwillig die Erinnerungen. Bei Familie Bruhns nimmt endlich jemand den Telefonhörer ab. Das war mein Chef
, berichtet Eva: Die brauchen mich.
Sie soll bei irgendeinem Prozess aushelfen. Weder Jürgen noch Eva samt ihrer Angehörigen ahnen, wie der Job ihr Leben umkrempeln wird. Kleine Spitze am Rande: Der Verlobte könnte mit einem Vorsatz scheitern - wenn wir verheiratet sind, wirst du nicht mehr arbeiten gehen.
Verwaschene Erinnerungen verstören Eva
Bei Prozesseröffnung erfährt Eva Details über Auschwitz und die Verbrechen an diesem Ort. Aufgeregt erlebt sie, wie Rachel Cohen einen Angeklagten identifiziert. Verwaschene Erinnerungen an die frühe Kindheit kehren bei der Dolmetscherin zurück. Irgendwas verbindet sie privat mit Auschwitz. Die offensichtliche Bekanntschaft ihrer Eltern mit dem Hauptangeklagten Robert Mulka beunruhigt Eva. Irgendwann hasst sie die trügerische Gemütlichkeit. Die Lügen von Papa und Mutti fliegen auf. Der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess beeinflusst sämtliche Beteiligte.

"Wir sind überrascht worden, wie aktuell diese Serie ist"
Die alte Gesinnung erscheint immer wieder
In der Öffentlichkeit ist mit den üblichen Vorwürfen zu rechnen, dass die Geschichten über Nazis die Deutschen nerven würden. Solche Äußerungen beweisen lediglich, wie rücksichtslos oder gedankenlos solche Nörgler durchs Leben wandern. In der Miniserie brechen junge Menschen das Schweigen der Nachkriegszeit. Eva und Staatsanwalt Hans Kübler (Max von der Groeben) erkennen, dass die alte Gesinnung immer wieder erscheint. Bei der Premierenfeier am 9. November bestätigt Darstellerin Iris Berben: Wir sind überrascht worden, wie aktuell diese Serie ist.
Sogenannte Kritiker rechtfertigen oder billigen den Terror gegen Israelis. Absichtlich oder unbewusst verbreiten sie Hass auf Juden - begleitet von der Behauptung: Wir sind bestimmt keine Antisemiten!
Sie sind auch nur eins von den Millionen dummen Fräuleins
Andererseits weckt Eva Zweifel, dass eine Europasekretärin so einfältig denken und handeln könnte. Verwechselt eine Fachkraft tatsächlich Häftlinge
mit Gästen
und Gas
mit Licht
? Der Wirtschaftsexpertin fehlen eben die Worte, wenn sogar der Brockhaus minimal Auschwitz erwähnt. Ohnehin springt Eva durch den Alltag ihrer Generation. Ihr Herz flattert, wenn sie an ihren Schatz denkt. Ferner hilft die junge Frau in der Gaststätte. Papa Ludwig Bruhns schaltet das Radio ab, als der Moderator Auschwitz erwähnt. Ich würde das gerne hören
, protestiert die Tochter. Der sonst liebenswerte Koch reagiert typisch für die Ansprüche im Wirtschaftswunder: Wir haben hier zu tun.
Indes erkennt David Miller (Aaron Altaras) Evas Schwächen. Dabei lästert der Vertreter der Staatsanwaltschaft: Sie sind auch nur eins von den Millionen dummen Fräuleins.
Er empfiehlt: Lernen Sie schon mal das notwendige Vokabular - alle erdenklichen Worte, wie man Menschen töten kann.

Schauspieler wie Henry Hübchen bewähren sich
Anke Engelke taucht in Vergangenheit
Nach wie vor genießt Anke Engelke Comedy und sonstigen Spaß. Darüber hinaus erstaunt ihre Wandlungsfähigkeit in dramatischen Rollen. Bei
Iris Berben fesselt durch Gestik, Mimik und Worte
Eva begegnet Rachel Cohen. Als sie die jüdische Überlebende und ihr Schicksal näher kennenlernt, verliert sie die Fassung. Hingegen betrachten die Angeklagten gleichgültig die gequälte Ärztin. Großzügig übersehen sie, dass Rachels Ehemann und Zwillinge in Auschwitz starben. In ihrer Figur schleudert Iris Berben den Mördern Verachtung und Verzweiflung entgegen. Sie fesselt das Publikum an die Bildschirme durch Gestik, Mimik und Worte. In Rachel fließen viele Opfer zusammen, die seinerzeit in Frankfurt die Verbrechen bezeugten. Wen dieser Auftritt kalt lässt, besitzt weder Herz noch Verstand. Historische Stoffe liegen Iris Berben. Trotzdem sind beinahe zehn Jahre seit
Als Kriegsverbrecher krönt Heiner Lauterbach seine Karriere
Mit seiner Darstellung als Wilhelm Boger krönt Heiner Lauterbach seine Karriere. Der SS-Oberscharführer entwickelte Foltermethoden wie die sogenannte Boger-Schaukel, deren Nachbau wie beim tatsächlichen Prozess zu sehen ist. Der Herr hinterlässt gerne einen netten Eindruck. Seinen einstigen Gefangenen bereitete er jedoch eine Hölle, die zu schildern die Worte fehlen
- so der Vorsitzende Richter Hans Hofmeyer (Uwe Preuss) in seinem Schlusswort. Heiner Lauterbach veranschaulicht Wilhelm Boger als ungerührten Betrachter einer belanglosen Inszenierung. Der Schauspieler profitiert davon, dass seine Leistungen in
Bundesbürger besänftigen Gewissen mit Essen
Ludwig Bruhns scheint die Kriegsjahre leichter als Gattin Edith zu verdauen. Seine Impotenz zerstört diese Illusion. Wie unzählige Landsleute lässt sich Evas Vater seine Probleme kaum anmerken. Dieser gutmütige Kerl könnte niemandem schaden, oder? Wie andere Bundesbürger dieser Zeit besänftigt er sein Gewissen mit Essen. Hans-Jochen Wagner nutzt die Chance, den zerrissenen Charakter zu bekunden. Ebenso bewähren sich Mitwirkende wie Sabin Tambrea, der als Verteidiger Fritz Jerichow seinen Mandanten Robert Mulka (Martin Horn) heraushauen will. Widerlich, wie dieser Hauptangeklagte im Luxushotel logiert und seine Ehefrau Erna (Hildegard Schroedter) um ihren Status bangt! Leicht verloren wirkt Henry Hübchen als Walther Schoormann, dessen Sohn Jürgen mit Eva verlobt ist.

Trotz fehlender Schockeffekte wird es niemals langweilig
"Weissensee" und "Ku'damm 56" stammen von Annette Hess
Annette Hess hat das Drehbuch aus ihrem Roman entwickelt. Sie bewältigt diese Aufgabe ähnlich geschickt, wie sie das Konzept für
Regisseurinnen vermitteln bittere Wahrheiten
Randa Chahoud und Isabel Prahl führen Regie. Sie gelten als unverbrauchte Talente. Offensichtlich verstehen sie die Absichten von Annette Hess, obwohl sie nie zusammengearbeitet haben. Mit
Kameramänner liefern düstere Bilder
Einst gewöhnten

Serie zur Geschichte im 20. Jahrhundert erreicht hohe Ziele
Eva trotzt dem Schweigen
In der Realität wühlten die Auschwitz-Prozesse die Bundesbürger auf. Dank Radio und Was hast du damals gemacht?
. Nur langsam bröckelten die verkrusteten Strukturen. In "Deutsches Haus" trotzt Eva Bruhns dem Schweigen. Hingegen versucht ihre Schwester (Ricarda Seifried), die Scheinidylle unter allen Umständen zu retten. Annegret wirft Eva vor, die Fassaden umzureißen: Das ist deine Schuld! Du warst das in deinem Wahn
. Der fragwürdigen Krankenschwester gefallen höchstens Frauenrechte.
1979 durchbricht amerikanische Miniserie "Holocaust" den Panzer
Nach der Urteilsverkündung 1965 schwand die Aufregung in den Medien. Fernsehserien scheuten Auseinandersetzungen über den Nationalsozialismus. 1979 schlug "Holocaust" ein. In Diskussionssendungen nach der Ausstrahlung beweinten Zuschauerinnen und Zuschauer das Schicksal der Familie Weiss. Erst diese amerikanische Miniserie mit Anleihen an Seifenopern durchbrach den Panzer. Vermutlich beeinflusste "Holocaust" sogar die Politik: Immerhin strich der Bundestag im selben Jahr die Verjährungsfrist für Mord.
Für Selbstmitleid bleibt kein Platz
Bis heute läuft die Debatte, ob "Holocaust" und weitere Serien die NS-Verbrechen trivialisieren dürfen. Auf spezielle Weise unterhält "Deutsches Haus" die Fans von Streaming-Diensten. Einige Vorkommnisse und Dialoge reizen das TV-Publikum zum Lachen. Annette Hess und ihre Leute balancieren zwischen wichtigen Anliegen und notwendigen Wirkungen. Anders als etwa bei Das habe ich nicht gewusst.
Nicht zuletzt ruft "Deutsches Haus" nach Gerechtigkeit. Eine Serie zur Geschichte im 20. Jahrhundert kann keine höheren Ziele erreichen.
Dieser Text beruht auf Sichtung der kompletten Miniserie "Deutsches Haus".
Ab dem 15. November stellt Disney+ die fünfteilige Miniserie "Deutsches Haus" zum Streaming bereit.
Über den Autor
Leserkommentare
Rüvonnchen schrieb am 21.11.2023, 14.53 Uhr:
Habe die Serie in zwei Tagen durchgeguckt. Es ist teilweise wirklich heftig, das anzuhören, aber wichtig. Besonders beeindruckend fand ich Iris Berben, auch wenn sie nur in zwei Folgen zu sehen ist. Katharina Stark kannte ich bis dato nicht, sie hat das hervorragend gemeistert. Und sogar bei Anke Engelke, bei der ich auch bei ernsten Rollen immer das Problem hatte, auf einen Witz von ihr zu warten, konnte ich das ausblenden. Gut, der junge von der Groeben sollte noch ein wenig üben, der ist meiner Meinung nach die Schwachstelle in der Mini-Serie. Insgesamt kann ich die Produktion nur loben und eine Seh-Empfehlung abgeben.
Martina schrieb am 15.11.2023, 22.09 Uhr:
Hier fehlt klar ein "meiner Meinung nach" im Titel! Ansonsten schließe ich mich den Vorrednern an, denke jedoch, dass sich Menschen mit rechtsradikaler Gesinnung diese Serie nicht angucken und ein Aha-Erlebnis haben, oder gar bereit sind, Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Ich persönlich finde es schade bis ärgerlich, dass sich die Deutschen bei Historienserien immer noch unermüdlich am 2. Weltkrieg oder der DDR abarbeiten, als ob in der deutschen Geschichte nie etwas anderes passiert wäre. Liegt wohl an der Finanzierung oder am Mangel an guten Drehbuchautoren.
Flapwazzle schrieb am 16.11.2023, 19.20 Uhr:
Ich liebe ja nach wie vor "Die Tudors".Die Serie ist sogar historisch fundiert erzählt und macht daher insgesamt nicht nur ausschließlich Spaß...
Flapwazzle schrieb am 15.11.2023, 09.53 Uhr:
Gerade erleben wir zunehmenden Antisemitismus durch muslimische Zuwanderung und vollkommen fehlgeschlagene Integration in Deutschland. Autonome linke Gruppen verbrüdern sich mit rechtsradikalen Muslims im gemeinsamen Hass auf Juden sowie jüdische Gemeinden und Einrichtungen.Daher ist diese Serie so wichtig, da sie aufzeigt, was Hass mit und bei Menschen anrichten kann.
Rüvonnchen schrieb am 21.11.2023, 14.55 Uhr:
Unterschreibe ich.
Phantomias schrieb am 15.11.2023, 07.18 Uhr:
Es ist erschreckend zu beobachten, wie stark rechte Gesinnung (nicht nur) in DE wieder auf dem Vormarsch ist.
Es ist ja aber auch nicht so, dass solche Individuen in der Überzahl sind, aber leider sind sie besser organisiert, als alle möglichen Gegenbewegungen zusammen, und werden daher eher gehört. Letztere verlieren sich leider viel zu oft in so Themen wie kulturelle Aneignung, Gendersprech und ähnlichem Quatsch, als zusammen gegen Rechts zu stehen.
Ich befürchte, wie rennen sehenden Auges in ein neues drittes Reich.Rüvonnchen schrieb am 21.11.2023, 14.55 Uhr:
Alles als rechts zu framen, ist die einfachste Art, zu verharmlosen.
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